Eigentlich ist Gerd Hoffmann Bergedorf-Experte. Jetzt hat der Heimatkundler ein Buch über die ganze Hansestadt geschrieben.

Hamburg. Der Helikopter-Pilot war erst einmal perplex. Denn sein Fluggast wusste ganz genau, wo er hinfliegen wollte - am besten auch noch ans letzte Ende von Bergedorf, einfach überallhin in seinem Bezirk. Gerd Hoffmann, Stadtteilhistoriker und Kartenexperte, hatte teures Fotogerät dabei. Die rechte Tür des Hubschraubers war ausgehängt und Hoffmann gut angeschnallt. Deswegen schmückt jetzt eine Luftbildaufnahme des Bergedorfer Schlosses Hoffmanns Büro, eines von vielen Bildern, die der 62-Jährige auf seinem Helikopter-Trip gemacht hat. Es könnte nichts Schöneres geben für einen wie ihn: wenn sich seine Heimat in einem weiten Prospekt unter ihm ausbreitet. Hamburg aus der Vogelperspektive.

Und trotzdem hat er sich in jüngster Vergangenheit nicht mit dem Heute, sondern dem Früher beschäftigt. Hoffmann, ein schnell sprechender Bartträger mit modischer Brille, hat Hamburg mal ganz genau unter die Lupe genommen - und zwar seine historischen Karten von 1528 bis 1920. Die Entwicklung Hamburgs lässt sich so anschaulich nachvollziehen. "Das Buch spuckte schon sehr lange in meinem Kopf herum", sagt Hoffmann und lächelt stolz. Geschrieben hat er es zusammen mit Koautor Joachim W. Frank, Archivar am Staatsarchiv Hamburg.

Hoffmann selbst ist Vermessungstechniker mit Fachhochschul-Diplom, sein Büro befindet sich im Hammerbrooker Gewerbegebiet. Dort ist das Gebäude des Landesbetriebs Geoinformation, in dem Hoffmann angestellt ist. Für die Behörde, die für alle amtlichen Karten Hamburgs zuständig ist, kümmert sich Hoffmann meistens um den Bereich der Wanderkarten. Er kennt sich aus in Hamburg, noch besser aber in Bergedorf.

Denn der Bezirk im Südosten ist seine große Passion. Seine ersten Bücher galten alle Bergedorf, und er hat unzählige Diavorträge gehalten. Es gibt wohl niemanden, der sich so gut mit der Entwicklung Bergedorfs auskennt. "Ich bin dann wohl ein Lokalpatriot", sagt Hoffmann und grinst, ehe er die Reproduktionen der Karten hervorholt, mit denen er zuletzt gearbeitet hat. Hamburg-Karten sind das, die frühesten, die es gibt. Schön bunt sehen die aus, denn im 16. Jahrhundert waren die Darstellungen viel mehr bildhaft als kartografisch, fast schon kleine Kunstwerke. 140 Dokumente haben Hoffmann und Frank für ihr Werk zusammengestellt und kommentiert, ihr Buch "Hamburg in historischen Karten 1528 bis 1920" (Sutton Verlag) erzählt sowohl die Geschichte Hamburgs als auch die der Kartografie.

Manche der Karten waren noch nie zu sehen, andere wiederum sind keineswegs neu. Zum Beispiel die erste bekannte Karte Hamburgs: nämlich Melchior Lorichs berühmte, zwölf Meter lange Karte der Unterelbe aus dem Jahre 1568. Eine weitere Preziose ist die Alsterkarte von 1528 - ihre runde Form ist eine für das Mittelalter nicht untypische Gebietsbeschreibung. Die Alster war historisch für die Stadtwerdung Hamburgs bedeutsam. Früher war der Fluss ein wichtiger Wirtschafts- und Handelsweg. Die Karte zeigt außerdem den Stecknitz-Kanal und den Alster-Beste-Trave-Kanal.

Es gibt noch mehrere solcher kreisförmig gestalteten Karten in Norddeutschland - zum Beispiel die Lübecker Weltkarte von 1475 - sie gilt als die älteste in Deutschland gedruckte Karte überhaupt. Ein interessantes Zeugnis neueren Datums ist eine Art früher Großhamburg-Karte. "Hamburg wurde vom Senat noch größer gedacht, als es dann 1937 von den Nazis gemacht wurde", erklärt Hoffmann, der viel mit den Händen gestikuliert, wenn er redet - immer wieder deutet er auf die geschichtlichen Urkunden. 1921, sagt er, sei der Senat bereits sehr forsch vorgegangen und sprach "von der Notwendigkeit und Dringlichkeit der Schaffung eines Großhamburg".

Jede Karte wird genau erklärt; so kann der Betrachter nachvollziehen, wie sich Hamburg entwickelte. Für Hoffmann erzählen Karten und Bilder, aus der Luft geschossen, Geschichten. "Egal aus welcher Zeit", sagt Hoffmann - am liebsten aber aus Bergedorf.