Bis zum Lebensende das Sagen haben - was muss man dabei alles beachten? Stefanie Weber und Katja Schumann beantworteten wichtige Rechtsfragen.

Hamburg. Es ging um existenzielle Fragen: Was soll geschehen, wenn ich nicht mehr für mich selbst entscheiden kann? Wer vertritt dann meine Rechte? Wie verhindere ich, dass ich im Falle einer unheilbaren Krankheit an Schläuche gehängt werde? Die Themen: Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Die Resonanz: Rekord! Zum siebten Bürgerforum von Hamburger Abendblatt und Hamburgischem Anwaltverein (HAV) kamen mehr als 150 Bürger - so viele wie nie zuvor. In der Axel-Springer-Passage standen die Rechtsanwältinnen Dr. Katja Schumann und Stefanie Weber zwei Stunden lang Rede und Antwort. Abendblatt-Leserbotschafter Ralf Nehmzow moderierte. Die Dokumentation:

Frage: Am 1. September ist die Patientenverfügung gesetzlich neu geregelt worden. Was hat sich geändert?

Antwort: Früher konnten Ärzte wider die Patientenverfügung handeln, heute sind sie rechtlich daran gebunden: Wer eine Patientenverfügung errichtet, ordnet damit an, welche medizinischen Maßnahmen im Ernstfall durchgeführt werden sollen. Welche Behandlung Sie wollen und welche nicht, sollten Sie exakt benennen - etwa, dass Sie keine Langzeitbeatmung, keine Dialyse etc. wünschen. Sprechen Sie darüber zuvor mit einem Arzt. Hingegen könnten schwammige Formulierungen wie "keine Behandlung, wenn meine Situation ausweglos ist" dazu führen, dass vor Gericht gegen Ihren ursprünglichen Willen doch eine Maximaltherapie durchgeführt wird. Völlig substanzlos: Sätze wie "Ich wünsche eine Kaliuminjektion." Damit fordern Sie den Arzt zur aktiven Sterbehilfe und somit zu einer Straftat auf!

Frage: Ich möchte festlegen, welche medizinische Behandlung ich im Ernstfall erhalte. Ist eine Patientenverfügung ausreichend?

Antwort: Wenn Sie sicherstellen möchten, dass Ihr Wille durchgesetzt wird, sollten Sie neben der Patientenverfügung auch eine Vorsorgevollmacht errichten. Die Vollmacht tritt in Kraft, wenn der Vollmachtgeber nicht mehr entscheidungsfähig ist, etwa aufgrund einer Krankheit. Je nach Ausgestaltung nimmt der Bevollmächtigte vorher festgelegte Rechte des Vollmachtgebers wahr, ist beispielsweise für die Regelung von Vermögensangelegenheiten, die Gesundheitssorge sowie für die Durchsetzung der Patientenverfügung zuständig. Achtung: Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht müssen Sie schriftlich aufsetzen. Tragen Sie am besten immer eine Karte in der Geldbörse, die Sie als Vollmachtgeber ausweist, oder lassen Sie sich in das zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer (rund zwölf Euro) eintragen. Sie können die Vollmacht jederzeit abändern oder vernichten.

Frage: Wenn in einer Ehe einer der Partner nicht mehr verfügen kann und vorher keine Vorsorgevollmacht erteilt wurde, ist der andere Partner dann überhaupt befugt zu entscheiden?

Antwort: Nein. Es ist ein Irrglaube, dass in einem solchen Fall der Partner oder die Kinder ohne Vollmacht handeln können. Es wird dann vom Gericht ein Berufsbetreuer eingesetzt. Auch ein Testament reicht für eine solche Vollmacht nicht aus, da dieses erst nach dem Tod wirksam wird. Die Vorsorgevollmacht kann jedoch auch transmortal verfasst werden und Wünsche zur Regelung der Bestattung beinhalten.

Frage: Sind Patientenverfügungen, die man aus dem Internet oder aus den Heften der Krankenversicherungen entnehmen kann, ebenso gültig wie Verfügungen, die mit einem Anwalt erstellt werden?

Antwort: Theoretisch reicht eine solche Verfügung. In der Praxis wird es aber schwierig, nach den genauen Wünschen des Patienten zu handeln, da diese Bögen zum Ankreuzen sehr allgemein gehalten sind. Jeder hat individuelle Vorstellungen und Wünsche, die in diesen Vordrucken oft nicht berücksichtigt werden können. Daher ist es sinnvoller, eine individuelle Verfügung zu erstellen und das Online-Formular nur als eine Hilfe für die Vorentscheidungen zur Hand zu nehmen. Auch wenn es nicht zwingend ist, sollte man danach auf jeden Fall mit einem Arzt und einem Anwalt über seine Wünsche sprechen, um diese konkret zu formulieren.

Frage: Ich möchte in der Vorsorgevollmacht meinen Mann als ersten Bevollmächtigten einsetzen. Der Sohn meines Mannes aus erster Ehe soll bevollmächtigt werden, wenn mein Mann dazu nicht in der Lage ist. Ist das möglich?

Antwort: Der Sohn wäre in diesem Fall der Ersatzbevollmächtigte. Sie können eine Person oder mehrere Person bevollmächtigen, ihnen unterschiedliche Aufgaben und Rechte zuordnen. So könnte ein Unternehmer eine Person seines Vertrauens mit der Weiterführung der Geschäfte und einen Angehörigen etwa mit der Gesundheitssorge beauftragen. Eine Generalvollmacht deckt alle rechtlich relevanten Bereiche ab. Mehrere Bevollmächtigte sollten sich untereinander einig sein, sich nicht gegenseitig die Vollmacht entziehen können.

Frage: Was passiert, wenn der Bevollmächtigte in meiner Abwesenheit seine Vollmacht ausnutzt und zum Beispiel ein Geschäft zu meinem Schaden abschließt?

Antwort: In der Tat: In Hinblick auf das Außenverhältnis - also das rechtliche Verhältnis der Vollmacht gegenüber Dritten - wäre so ein Geschäft rechtsgültig. Die Vollmacht hat aber auch ein Innenverhältnis: Das Verhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigten. In diesem Fall könnten sie den Bevollmächtigten auf Schadenersatz verklagen. Um Missbrauch zu verhindern, können Sie einen Kontrollbevollmächtigten benennen.

Frage: Ich hätte gerne meine Hausärztin als Unterstützerin meines Willens in der Verfügung. Sie kennt mich und weiß, was mit mir passieren soll, wenn mir etwas zustößt. Wie kann sie in die Verfügung eingesetzt werden?

Antwort: In diesem Fall sollten Sie die Ärztin mit der Gesundheitssorge bevollmächtigen. Sie kann dann als Bevollmächtigte nach Ihrem Wunsch und entsprechend Ihrer Patientenverfügung anstelle eines sonst gegebenenfalls einzusetzenden Fremdbetreuers handeln.

Frage: Meiner Schwester wurde ein Berufsbetreuer zugewiesen. Weil ihre Wohnung sehr dreckig war, habe ich versucht, den Betreuer vor Gericht abzusetzen, was jedoch nicht gelang. Nun ist sie im Pflegeheim, und auch jetzt werde ich als Angehöriger bei Vorfällen wie einem Beinbruch nicht informiert. Kann man die Fremdbetreuung absetzen?

Antwort: Normalerweise werden sehr gute Betreuer eingesetzt, zum Beispiel Rechtsanwälte oder Sozialpädagogen. Wenn die Betreuung jedoch nicht ordnungsgemäß läuft, kann sie durch einen Antrag vor Gericht abgesetzt werden. Es ist daher sinnvoll, vorher eine Vertrauensperson mit einer Vorsorgevollmacht zu betrauen. In Einzelfällen kann den Bevollmächtigten ein Fremdbetreuer als Entlastung zur Seite gestellt werden.

Der Hamburgische Anwaltverein offeriert einen "Anwaltsuchdienst". Pro Fall werden bis zu drei Rechtsanwälte kostenlos genannt: 0180/431 43 14 (20 Cent aus dem Festnetz, mobil teurer).