Die Magier kamen als Ehrengäste zur Premiere ins Hansa-Varieté und erinnerten sich beim Blick über die Alster ihres Karrierestarts in Hamburg.

Hamburg. Die feuchte Luft, das neblige Wetter, die fallenden Blätter an der Alster. Eigentlich genau wie damals - aber doch 45 Jahre her. "Es ist, als ob sich heute ein großer Kreis schließt", sagt Siegfried Fischbacher (70), kuschelt sich in seine weiße Wolljacke mit schwarzem Ledernietenbesatz an den Ellenbogen und schaut versonnen auf die Außenalster. "Schau, die wunderschönen Segelboote. Eigentlich hat sich hier doch gar nichts verändert. Die Atmosphäre ist ähnlich, und leichtes Lampenfieber habe ich auch, bevor ich später wieder ins Scheinwerferlicht gehe", sagt Roy Horn (65).

Beim Exklusiv-Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt erinnern sie sich an ihren kometenhaften Aufstieg, der an der Alster begann. Die beiden sitzen in einer Hotel-Panorama-Bar, trinken ein stilles Wasser und hängen ihren Gedanken nach - an damals. Das war vor 45 Jahren, als die beiden ehemaligen Schiffs-Stewards aus Rosenheim in Bayern und Nordenham bei Bremen ihren ersten Auftritt im Hansa-Theater am Steindamm hatten. Das Haus liegt gleich um die Ecke, hat noch immer genau den nostalgischen Charme wie damals. Eine Kulturlegende in Hamburg, die gestern Abend mit ihrer nunmehr zweiten Varieté-Show wieder zum Leben erweckt wird.

Siegfried und Roy, Deutschlands berühmte Magier, die mehr als 30 Jahre in Las Vegas als Weltstars auftraten, waren als Ehrengäste dabei. Auf Einladung des Hamburger Abendblatts und St.-Pauli-Theaters kamen sie für drei Tage zurück an den Ort, an dem ihre unbeschreibliche Künstler-Karriere begann. "Ich weiß noch genau, wie wir damals im Bremer Astoria-Theater die Anfrage aus Hamburg erhielten, im Hansa-Theater aufzutreten. Eine halbe Stunde mit unserem Geparden Chico. Roy war mein Assistent", erzählt Siegfried und spielt mit seinen beiden mit Brillanten und Smaragden besetzten Gold- und Platinringen an der rechten Hand.

Roy trägt ähnliche Ringe an seiner linken Hand, an der rechten ein silbernes Panzerketten-Armband und um den Hals einen eleganten Seidenschal und ein Silberkreuz am Lederband. Gezweifelt hätten die beiden, ob diese Anfrage für die sympathischen Jungs nicht eine Nummer zu groß sei. Schließlich hatten sie im Bremer Astoria-Theater nur während ihres Urlaubs ein wenig mit ihrem Geparden-Auftritt nebenbei verdienen wollen. Die beiden hatten sich zuvor bei der Arbeit als Kabinen-Stewards auf dem Ozeandampfer "Bremen", einem Linienschiff zwischen Bremerhaven und New York, kennengelernt.

"Ich war fassungslos, wir waren doch damals noch total unerfahren im Showgeschäft. Und das Hansa-Theater war damals das professionellste Varieté Europas mit internationalem Publikum. Wer dort auftrat, war jemand", erzählt Siegfried. Und dann unterschrieben sie doch den Vertrag, wohnten einen Monat in einem winzigen Zimmer an der Bremer Reihe. "Die Gage reichte damals nicht zum Leben, nicht zum Sterben und ging fast ganz für das Futter für den Geparden drauf. Wir haben uns von Kartoffeln ernährt", erinnert sich Roy. Im Pfandhaus musste Siegfried sogar einmal seine Armbanduhr hinterlegen, weil das Geld so knapp war.

Sie erinnern sich an das kesse Nummerngirl Jeanette, mit dem sie vor ihrem Auftritt rumalberten. Und an die Treffen nach jeder Vorstellung mit den anderen Künstlern in der Künstlerklause "Taverne an der Grün". "Dort wurden Tipps ausgetauscht. Wir haben über Gagen, andere Theater und deren Direktoren gesprochen. Und es gab Ratschläge, was man auf der Bühne besser machen konnte. Das Hansa-Theater wurde so für uns zum Entree für unsere spätere Welt-Karriere", sagt Siegfried. "Eine tolle Schule, wir waren so happy über die Erfahrungen, die wir dort machten. Hamburg war unser Olymp, von dem es stetig weiter aufwärts ging", ergänzt Roy. Aufrecht sitzt er im Sessel, zeigt stolz einen weißen, aufgestickten Löwen auf der Rückseite seines kobaltblauen Seidenhemds.

Roy liebt Tiere. Auch nach dem schrecklichen Unfall am 3. Oktober 2003, als ihn in seiner eigenen Show der Biss seines weißen Tigers Montecore in den Hals lebensbedrohlich verletzte. Von einem Tag zum anderen war das Glamourleben, die Mega-Erfolgsshow, der deutschen Märchenprinzen in Las Vegas vorbei. Millionen Menschen hatten bis dahin ihre Shows gesehen - es schien eine niemals endende Erfolgsgeschichte der beiden Deutschen zu werden. Das schillernde Beispiel des amerikanischen Traums.

In ihrem Anwesen im Wüsten-Spielerparadies leben Siegfried und Roy heute ruhiger. Sie haben vier Pferde, diverse Hunde aus Tierheimen, Katzen und Hühner. "Klein Bayern" haben sie das vor 35 Jahren gekaufte Grundstück mit zwei Einzelhäusern, einem Haupthaus, einer Kapelle mit typisch bayerischem Zwiebelturm und 8000 mitten in der Wüste angepflanzten Bäumen getauft. Es erinnert sie an ihre Heimat. Denn in Deutschland fühlen sie sich auch heute noch sehr wohl.

"Aber es ist mit Deutschland immer ein Bratkartoffelverhältnis geblieben. Es ist schön, wenn man ankommt und schön, wenn man wieder gehen kann", sagt Siegfried. Sind die beiden heute glücklich? "Ja, über jeden Tag freue ich mich", sagt Roy, der den heutigen Freitag zum Shoppen in der Innenstadt nutzen will. Er ist Shopping-Fan, gesteht, nie ohne Übergepäck zu bezahlen von seinen Reisen zurückzukehren. Aus Bremen, wo Siegfried und Roy Anfang der Woche Roys Familie besuchten, hat er sich ein Buddelschiff gekauft und kleine Geschenke für seine geliebten Hunde in Las Vegas mitgebracht. Aus Hamburg wollen Siegfried und Roy nun Jacobs-Kaffee, Currywürste und Nordseekrabben mitnehmen. Letztere hatte Roy bereits gestern mit Schwarzbrot und Rührei zum Frühstück bestellt.

"Wir genießen heute die Freiheit, reisen zu können und unsere Verwandten zu besuchen. Das war all die Jahre zuvor unmöglich. Wir sind jeden Tag in Las Vegas im Hotel Mirage aufgetreten, haben die ersten 15 Jahre keinen Urlaub gemacht. Die Show war wie eine Sucht und wir waren und sind disziplinierte Perfektionisten", sagt Siegfried. Die Show war ihr Leben, ihr Leben war die Show.

"So etwas wird es nicht wieder geben. Auch für uns nicht. Aber wir haben sicherlich viele Künstler inspiriert. Auch heute gibt es guten Nachwuchs. Nur heute wollen alle sofort ein Star sein, Millionen verdienen. Daran haben wir in unserer Anfangszeit nie gedacht", sagt Siegfried. Im März haben sie in Las Vegas ihren endgültigen Abschied von der Bühne gefeiert. Und dann schauen beide wieder auf die Alster. Ein weiteres Segelboot zieht vorbei. "Mensch, Hamburg ist immer noch eine Reise wert", sagt Roy und lacht. Und nach langem Überlegen sagt Siegfried: "Thank you Hamburg, danke Hansa-Theater - ohne dich hätten wir es nie geschafft ..."