Es gibt Tage, die fangen schwach an und lassen dann rapide nach. Das weiße Blatt starrt mich an, ich schaue weg.

Hier kann nur sie helfen: Luna. Meine kleine Computer-Freundin. "Lust auf ein Spiel?", säuselt das virtuelle Weibchen und wirft das Haar. Ich mach dich fertig, denke ich.

Und dann spielen wir. Dame. Die internationale Version, knallhart auf 10 mal 10 Feldern, und falls ich mich "versetze" und Luna mich plattmacht, gibt es noch Apfel-Z (Für DOSen-Benutzer: Strg + z), also den Befehl "letzten Zug rückgängig machen", etwas, was ich mir bisweilen für den Bundestag wünsche. Stört in der Dame-Phase das Telefon, knurre ich beschäftigt klingend hinein; ist es mein Mann und fragt, woran ich gerade arbeite, behaupte ich "an der Dopamin-Zufuhr meines Neocortex und angewandter Entschleunigung."- "Wow", sagt er, "ich hab nur Solitaire gespielt." Der gibt das zu, ganz souverän, während ich mich geniere, dass ich nicht pausenlos konstruktiv, nachhaltig und wertschöpfend bin. Und auch noch mit Apfel-z behumse, um zu gewinnen (entschuldigen Sie kurz, Luna hat die erste Dame!). Würde ich fest in einer Redaktion sitzen, hätte ich den "Boss-Key": Ein Tastendruck, und Mahjong, Tetris oder Knetmännchen-Kamasutra würden hinter nach Arbeit und Disziplin aussehenden Textfenstern verschwinden, sobald jemand den Raum betritt. Ich käme mir beim Daddeln so verderbt vor, als würde ich heimlich mit der Kreditkarte vom Chef shoppen.

Dabei haben Studien ausreichend belegt, dass die Spielpause eine empfehlenswerte Antistresskur ist, die motiviert, freundlicher stimmt und die Arbeit erleichtert (schöne Grüße an den Herrn Chef: Sie betreiben also Ressourcen-Optimierung und nicht nur Moorhuhn-Jagd) - aber offenbar sitzt das preußische Misstrauen gegen Müßiggang tief. Und was das alles kostet! Psst: Ihr Chef spielt vermutlich auch. Noch heimlicher, wegen Vorbild und Volkswirtschaft und so; wobei ich Heiße-Luft-Meetings, Hierarchiegerangel und entscheidungsscheue Entscheider für die effektiveren Geldvernichter eines Unternehmes halte als eine Runde Pacman für alle.

Hören wir auf, uns zu genieren. Daddeln ist die kleine Freiheit im fremdbestimmten Dasein; das Spiel im DIN-geprägten Alltag die Insel der Seele.

So, Luna, jetzt bist du fällig!

Gedankenflieger Warum ist gewinnen so schön? Literaturhaus-Diskussion mit Kindern (7 bis 10 J.) u. der Kinderphilosophin Kristina Calvert, Do 8.10., 15.30, Grundschule Rothestraße 22 (Bus 15), Karten zu 2.- unter T. 22 70 20 14; www.literaturhaus-hamburg.de

Nina George schreibt jede Woche in LIVE und liebt Hamburg.