Ralf Nehmzow befasst sich einmal wöchentlich in einer Kolumne mit Ihren Problemfällen.

Der Fall

Margot B. (60) war guter Dinge, als sie ihre Post in Wilhelmsburg in einen Briefkasten warf, das war am 10. August 2009. Der Inhalt war von Gewicht, der Weg bis zum Empfänger nicht weit - doch daraus wurde die Odyssee einer Karte, lesen Sie selbst.

Es geht um einen Antrag auf Briefwahl-Unterlagen. Den nämlich hatte die kaufmännische Angestellte zum zuständigen Wilhelmsburger Rathaus an der Mengestraße geschickt, für ihren Sohn Bengt (27), der derzeit in London lebt und von dort per Briefwahl wählen möchte. Das Rathaus Wilhelmsburg mit seinem Kundenzentrum und den Fachabteilungen ist Teil des Bezirks Mitte - und gleich um die Ecke vom Zuhause von Frau B. Doch für die Post die erste Hürde: Erst am 2. September, also schlappe drei Wochen später, flatterte ihr die ersehnte Rückpost mit den Briefwahl-Unterlagen ins Haus. Eine unglaublich lange Zeit! Sagt auch die Post selbst.

Margot B. sieht's mit Humor, einerseits: "Die Karte hätte ich lieber selbst vorbeibringen sollen, das wäre schneller gegangen." Und mit Verärgerung andererseits. "Ich hoffe, dass die Unterlagen noch rechtzeitig ankommen, sonst kann mein Sohn sein Wahlrecht nicht wahrnehmen, das wäre schlimm." Das Brief-Zittern geht jetzt weiter, ein Wettlauf mit der Zeit. Sofort hatte Frau B. die Unterlagen nach London geschickt, zu ihrem Sohn. Da kamen sie inzwischen an. Jetzt ist der Brief auf dem Rückweg nach Hamburg, aber in London war in den vergangenen Tagen immer mal wieder die Post im Streik ...

Die Recherche

Anruf beim Bezirksamt: Wie kann der einfache Posttransport eines Schriftstückes von A nach B - nur ein paar Straßen weiter - so lange dauern? Wer hat Schuld? Sorina Weiland, Sprecherin des zuständigen Bezirksamts Mitte, hängt sich in die Sache rein. Es kommt heraus: "Die Karte ging bei uns am 17. August ein", räumt sie ein. Also: Knapp zwei Wochen lang schlummerte die Sache dort, irgendwo zwischen Akten und Ablage. Warum? Das hänge mit dem ersten Ansturm der Bürger-Anfragen nach Briefwahl-Unterlagen zusammen, erklärt Sprecherin Weiland. "Es sind etwa 1500 solcher Anträge von anfänglich nur einem Mitarbeiter, inzwischen zwei, zu bearbeiten gewesen."

Frau B. kann das Argument nur schwer nachvollziehen: "Bei einem so wichtigen Ereignis wie der Bundestagswahl muss man dann eben genügend Mitarbeiter dafür abstellen." Jeder Politiker beschwere sich über die Wahlmüdigkeit, wenn man dann seiner Wahlpflicht nachgehen möchte, "wird man durch eine verspätete Zustellung der Wahlunterlagen bei der Ausübung behindert".

Da ist was dran. Ich recherchiere weiter. Neuer Anruf, diesmal bei der Post. Auch dort Erstaunen und Ratlosigkeit. Rund fünf Millionen Briefe wandern in der Stadt täglich von Absender zu Empfänger. Aber offenbar nicht immer schnell genug. In diesem Fall dauerte der Transport der Post von Frau B. stolze sieben Tage. "Bei 95 Prozent der Briefe erfolgt die Zustellung einen Tag nach dem Einwurf, spätestens am zweiten Tag", sagt Martin Grundler, Sprecher der Post-Pressestelle Hamburg. In diesem Ärger-fall weiß er keine Erklärung. Konkret wurde die Karte zunächst in das Briefzentrum Hamburg-Süd gebracht, dann weiterverteilt ... "Es passiert höchst selten, dass Post so lange unterwegs ist, ich möchte mich dafür ausdrücklich entschuldigen." Übrigens: Haftung übernimmt die Post für einfache Sendungen nicht.

Das Ergebnis

Ärgerfall aufgeklärt, und die Nachfrage des Abendblatt-Botschafters zeigt gleich Wirkung. Markus Schreiber (SPD), Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte, lud Margot B. in seine Bürgersprechstunde ein, als er von ihrem Fall erfuhr.

Immerhin eine kleine Geste nach der Panne. "Alle Briefwahl-Stimmen, die hier bis Sonntag, 27. September bis 18 Uhr eingehen, werden gezählt", sagt Sorina Weiland. Also, Daumen drücken, dass Bürger Bengt B. doch noch rechtzeitig wählen kann. Ist ja noch ein wenig Zeit bis zum Wahltag.

So erreichen Sie den Leser-Botschafter : Schicken Sie bitte Ihre Alltagsärger-Fälle, kurz skizziert, an: Leser-Botschafter Ralf Nehmzow, Chefredaktion Hamburger Abendblatt, Axel-Springer-Platz 1, 20350 Hamburg, E-Mail: Leserbotschafter@abendblatt.de