Ob Zwei-Klassen-Medizin oder Gesundheitsreform: Patienten und Ärzte haben die Gesundheitspolitik in Hamburg scharf attackiert. Bei einer hitzigen Veranstaltung im Ärztehaus mussten sich auch Gesundheitssenator Dietrich Wersich (CDU) sowie die Bundestagskandidaten und Experten aller Parteien beißende Kritik anhören.

Gabi Thiess, Sprecherin einer Selbsthilfegruppe, berichtete von "extrem schlechter Versorgung" im Krankenhaus. Auch in Hamburg würden Patienten "blutig entlassen", um Kosten zu senken. Sie als chronisch Kranke werde mit Schmerzen alleingelassen und bekomme Medikamente bisweilen wie in einem "Überraschungsei". Die Bergedorfer Hausärztin Silke Lüder sprach vom "Sterben der Praxis um die Ecke". Die Kranken müssten weite Wege in Kauf nehmen und würden schlechter behandelt werden als früher. Ärzte hätten zu wenig Zeit, um sich intensiv mit den Patienten zu beschäftigen, weil sie im "Hamsterrad" möglichst viele Vorsorgeuntersuchungen und "Massenabfertigung" machen müssten. Lüder: "Die Qualität geht baden." Senator Wersich, aber auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Krista Sager sagten, die Versorgung in Hamburg sei im Vergleich zu anderen Bundesländern hervorragend. Unisono meinten Wersich und Sager: "Der Patient sollte im Mittelpunkt stehen. Über seinen Kopf hinweg darf nichts entschieden werden."

Patienten und Praxisärzte übten auch Kritik an der Asklepios-Klinikkette, die ihrer Ansicht nach mit medizinischen Versorgungszentren stärker in die ambulante Versorgung einsteige und so die Fachärzte vertreibe. Hausärztin Silke Lüder sagte zudem, durch die Gesundheitsreform seien die Ärzte angehalten, eine falsch verstandene Qualität ihrer Behandlung nachzuweisen. Um künftig die Statistik ihrer Praxis nicht zu gefährden, würden dann Raucher und Dicke "am besten schon vorne am Empfangstresen" abgewiesen.