Handwerker aus der Region profitieren bisher wenig vom Vattenfall-Milliarden-Projekt. Fälle von Lohndumping sind aber nicht bekannt geworden.

Lange Reihen von Kleinbussen und Pkw parken an der staubigen Zufahrt zur Kraftwerksbaustelle: Kennzeichen aus der gesamten Republik scheinen dort vertreten, viele aus dem Osten des Landes und etliche aus Bulgarien, Belgien, Polen oder Slowenien. "Wir haben hier echtes Multikulti", sagt ein Monteur aus Nordrhein-Westfalen, den seine Firma für drei Tage nach Moorburg geschickt hat. 1100 Bauarbeiter werkeln derzeit an dem riesigen neuen Vattenfall-Kraftwerk. 80 Prozent davon kommen aus verschiedensten EU-Ländern, 20 Prozent aus anderen Staaten, heißt es bei dem Stromkonzern, der dort für sein neues Kohlekraftwerk an der Süderelbe rund zwei Milliarden Euro investieren will. Etwa die Hälfte der Arbeiter, so eine ältere Schätzung, kommt aus dem Ausland. Eine genauere Aufschlüsselung gibt es nicht. Aufträge wie in Moorburg müssen europaweit ausgeschrieben werden. Ob eine Firma aus Kaltenkirchen, Kaiserslautern oder Krakau den Zuschlag erhält, ist nicht relevant. Hauptsache EU. Und Hamburger Firmen? Profitiert auch die regionale Wirtschaft, so wie von Vattenfall zu Beginn der Diskussion um das Kraftwerk versprochen?

"Es sind bisher einige Hamburger Unternehmen dabei, wünschenswert wäre natürlich, wenn es noch mehr werden", sagt der Geschäftsführer der Hamburger Bau-Innung, Michael Seitz. Tatsächlich haben Firmen wie A. Prien, Neuland-Beton oder auch einige Fuhr-Unternehmen dort Aufträge erhalten. Der große Auftragssegen für viele kleine Hamburger Handwerksbetriebe sei aber noch nicht zu erkennen, so der Innungsgeschäftsführer. Allerdings sei der Baustellenbetrieb erst am Anfang, mit voller Schlagzahl von rund 3000 Arbeitern wird dort laut Vattenfall erst im kommenden Jahr gerechnet. "Wir hoffen natürlich, dass dann mehr Hamburger Firmen zum Zuge kommen", so Seitz. Doch einem privaten Bauherrn sei das natürlich freigestellt. "Anders bei öffentlichen Aufträgen der Stadt wie für die Elbphilharmonie - doch auch dort können wir nicht erkennen, dass besonders viele Hamburger Firmen profitieren."

Doch woran liegt es, dass Firmen aus anderen Bundesländern oder aus dem Ausland bei Großbaustellen zu oft vertreten sind? Oft als Sub- oder Subsubunternehmen von anderen Auftragnehmern. "Das erscheint uns in der Tat merkwürdig", sagt Innungsgeschäftsführer Seitz. Manchmal hätten andere Firmen natürlich einfach die "besseren Ideen" und könnten daher auch die besseren Angebote machen. Doch auch "Sozial-Dumping" spiele gelegentlich wohl eine Rolle, weil es eben zu vielen anderen Regionen oder Ländern ein deutliches Lohngefälle gebe. Seitz: "Anders als in der Textilbranche arbeiten hier nicht billige Arbeitskräfte in Indien, sondern die billigen Arbeitskräfte werden hierher gebracht." Eine Zahl macht die Dimension deutlich: Noch vor zehn Jahren gab es etwa 1,4 Millionen Bauarbeiter in Deutschland, heute sind es nur noch rund 800 000.

Welche Tricks Firmen mit ausländischen Bautrupps manchmal anwenden, weiß der Gewerkschafter André Grundmann, Regionalleiter der IG Bau in Hamburg: "Zwei Hauptmaschen gibt es da", sagt er. Zwar gebe es inzwischen eine Reihe von Regeln, die für alle gleich gelten, etwa die vorgeschriebenen Mindestlöhne. 12,85 Euro pro Stunde muss ein qualifizierter Bauarbeiter verdienen. "Doch dann werden die Leute für acht Stunden bezahlt, müssen aber zwölf arbeiten", so Grundmann. Ein weiterer Trick: Bei der Unterbringung in einfachen Wohnungen oder Pensionen kassieren Firmen ab. Grundmann: "Da werden dann Hilton-Preise verlangt, damit man arbeiten kann." Solche Machenschaften bekämpft die Gewerkschaft allerdings vehement. In ihren roten Jacken lassen sich IG-Bau-Leute an den Großbaustellen sehen, sprechen mit den Arbeitern auch aus andern Ländern, sehen sich die Unterkünfte an und geben Hilfestellung.

Im Fall der Baustelle in Moorburg gebe es aber keine Probleme, so der Gewerkschafter. Da achtet Vattenfall offensichtlich selbst schon drauf: Der Konzern diskutiert mit dem Bezirk Harburg über eine möglichst dezentrale Unterbringung der Arbeiter und lässt sich immer wieder Bescheinigungen über Mindestlöhne oder Aufenthaltsgenehmigungen vorlegen. "Fremdfirmen sind von uns angewiesen, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Mitarbeiter geeignet und angemessen wohnen", sagt Vattenfall-Sprecherin Sabine Neumann.