“Only bad news are good news“. Liefern Negativmeldungen wirklich die besseren Schlagzeilen oder warum kann auf der Titelseite nicht einfach nur Positives vermeldet werden?

Sehr geehrter Herr Strunz,

"only bad news are good news", heißt es. Ist das eigentlich einmal überprüft worden? Die Masse der Menschen zumindest in Deutschland lässt sich schon frühmorgens von Negativmeldungen überschütten - im Radio, im Fernsehen, im Internet - und dann noch in der Presse. Wie soll ein Tag werden, der mit solch massiver Negativ-Programmierung beginnt? Die Menschen sitzen schon frühmorgens mit langen Gesichtern in der Bahn oder im Auto! Motto: Ist das Leben nicht schrecklich? Ich habe meinen Fernseher abgeschafft, die Nachrichten im Radio höre ich nicht vor Mittag, aber ich lese zum Frühstück das Abendblatt. Ich würde mich freuen, wenn Sie wenigstens für eine begrenzte Zeit den Versuch machten, auf der Titelseite ausschließlich POSITIVE Meldungen zu bringen. Ich glaube, dass wäre einzigartig und absolut innovativ! In freudiger Erwartung Ihrer Antwort

Mit freundlichen Grüßen

Gunther Niemann aus Börnsen

Sehr geehrter Herr Niemann,

von Axel Springer, dem Gründer des Hamburger Abendblattes, ist überliefert, dass er in seiner Zeitung jeden Tag auch gute Nachrichten lesen und bei der Lektüre mindestens einmal lächeln wollte. Von meinem ersten Ausbilder stammt die Feststellung, dass eine Nachricht mindestens einem wehtun müsse, sonst sei sie Werbung. Ich meine: Die intelligente Mischung aus beidem macht aus ein paar Seiten beschriebenem Papier eine Qualitätszeitung.

Ihre Anregung, das ist nicht von der Hand zu weisen, hat Charme. Aber sie wertschätzt zu wenig die Funktion einer Tageszeitung als kritischer Begleiter, als Kontrolleur und manchmal auch als Wachhund. Stellen Sie sich die politische Berichterstattung vor - ohne Biss und nur jubelnd: "Gut gemacht, Herr Carstensen! Niemand kann doch immer alle Schriftsätze genau lesen." Oder den Sport: "HSV 0:3 in Freiburg - macht nichts, Bruno! Das nächste Mal klappt es schon." Oder die Kultur: "Es war das schlechteste Konzert aller Zeiten, aber es hätte noch schlechter sein können." Oder in der Wirtschaft: "Toller Service bei der HSH Nordbank: Kaum Schlangen am Geldautomat!" Nun könnten Sie sagen, diese anekdotischen Zuspitzungen werden Ihrem Vorschlag nicht gerecht, weil Sie ja nicht fordern, dass etwas beschönigt werden soll. Ihrer Logik folgend dürften dann aber die wichtigsten Themen des Tages nicht auf Seite eins. Das würde zu merkwürdigen Titelseiten führen - ohne Hapag-Lloyd, Finanzkrise, Nordbank-Problemen, Entlassungswellen, Afghanistan. Und damit ebenfalls zu einem Verlust an Ernsthaftigkeit.

Ihr Zuruf ist dennoch gut. Er erinnert uns noch einmal daran, täglich auf die richtige Mischung zu achten. Ich denke, Ihre Morgenlektüre sollte insgesamt - also beim Blick in die gesamte Zeitung - nicht nach "Alles furchtbar!" klingen. Eher nach: "Es ist wunderschön, in Hamburg, im Norden, in Deutschland zu leben - aber es gibt auch ein paar Dinge, über die wir kritisch reden müssen."

In diesem Sinne hoffe ich, Sie bleiben uns gewogen.

Herzlichst,

Ihr Claus Strunz