Abendblatt-Aktion: Jan-Uwe Rogge spricht vor rund 500 Besuchern in der Axel-Springer-Passage mit Witz und Sachverstand.

Wer sein Publikum als "verhärmte pädagogische Zombies" beschimpfen darf, muss entweder ein herausragender Experte seines Fachgebiets sein oder einen leichten Hang zum Wahnsinn haben. Der Grat, auf dem sich Erziehungsberater Jan-Uwe Rogge in seinen Vorträgen bewegt, ist schmal. Mal erhebt er seine Stimme, dann verliert er sich in ein Flüstern. Immer mit dabei: eine Prise Humor und jede Menge Erziehungstipps. So sieht es aus, das rhetorische Rezept eines Rogge-Vortrags.

Knapp 500 Besucher sind am Montagabend in die Axel-Springer-Passage gekommen, um den Experten zum Thema "Aggressionen im Kindes- und Jugendalter" sprechen zu hören. "Ich kenne kein Kind, das zwei Meter vor einer Grenze stehen bleibt und dann sagt 'Oh, eine Grenze!'", eröffnet Rogge die fast dreistündige Veranstaltung in der Reihe "Erziehung im Gespräch". Sie wurde von der Abendblatt-Redaktion "Von Mensch zu Mensch" und der Stiftung "Kinderjahre" organisiert. "Wenn ein Jugendlicher sagt, er komme gerne um 22 Uhr nach Hause, dann ist er bekifft." Das sitzt. Rogge hat das Publikum auf seiner Seite.

Lektion eins: Aggression ist nicht gleich Aggression. Die positiven Seiten von Aggressionen müssten gefördert werden, während die negativen Seiten eingegrenzt werden sollten. "Aggressionen sind Teil unserer Entwicklung", daran erinnert Rogge. Eine weitere Weisheit aus seinem Munde: "Erziehung heißt vorleben, nicht vorlabern." Eltern, die als Freunde verkleidet daherkämen, würden ihre Kinder nur wütend machen. "Kinder wollen sich reiben", sagt er.

Wichtig sei außerdem, dass Mimik, Gestik und Stimme zu einer Aussage passten. Wer mit einem Lächeln im Gesicht "Nein" sage, müsse sich nicht wundern, wenn das Kind ihn nicht versteht, so Rogge. Und er führt das auch gleich vor, indem er sein Gesicht zu einem breiten Grinsen verzieht und ein lautes Nein in den Raum schreit. Das Publikum zuckt zusammen. Die Botschaft ist angekommen. Nächste Lektion: Kann eine nach außen gerichtete Aggression nicht ausgelebt werden, wird sie nach innen gerichtet. Eltern sollten ihren Kindern daher die Möglichkeit geben, sich körperlich auszuleben. Und weiter: Hinter maßlosen Aktionen von Kindern stecke oft der Wunsch nach Aufmerksamkeit. Rogge erzählt die Geschichte von Robin. Der ist es gewohnt, von seiner Erzieherin einen liebevollen Klaps zu bekommen. Als das eines Tages nicht der Fall ist, geht er in die Puppenecke und tobt vor Wut. "Jedes Kind braucht eine Person, an die es sich emotional binden kann", erklärt Rogge. Am Ende gibt er den Zuhörern einen Ratschlag mit auf den Weg: Kinder brauchen Grenzen, aber sie brauchen auch die Möglichkeit, diese zu überschreiten. Rogge, der in Bargteheide zu Hause ist, weiß, wie er das Publikum mit Sachverstand und Witz gewinnt. Mit einer verkauften Auflage von mehr als 1,6 Millionen Büchern in 16 Sprachen ist Rogge einer der bekanntesten Erziehungsexperten in Deutschland.