Der Amtsrichter schlägt die Akte auf, schaut sich die Fotos vom schwer misshandelten Kind an und sagt: “Es guckt ja noch erstaunlich freundlich mit den blau geschlagenen Augen.“

Ein schrecklicher Fehleindruck. Die drei Jahre alte Jaqueline (Name von der Redaktion geändert) wurde im September 2006 vergewaltigt und brutal verprügelt. Lamjed O. (23) wurde für diese Tat vom Landgericht zuletzt zu sieben Jahren und vier Monaten Haft verurteilt.

Nun ist Jaquelines Mutter vor Gericht, Nina R. - die 24-Jährige ging damals nicht mit ihrer Tochter zum Arzt. Lamjed O. war ihr Freund und wohnte bei ihr. Verletzung der Fürsorgepflicht und Körperverletzung durch Unterlassen wird ihr vorgeworfen. Mit auf der Anklagebank: ein Ehepaar, das sie damals bestärkte, nicht mit Jaqueline zum Arzt zu gehen. Das Paar ist mit dem Täter verwandt.

Nina R., eine korpulente Frau mit sympathischem Blick, sucht nicht lange nach Ausflüchten. Sie gibt zu: "Ich kann nur sagen, dass ich schuldig bin." Drogensüchtig sei sie damals gewesen und verliebt in Lamjed O. Eines Abends war ihr Freund kurze Zeit allein mit Jaqueline, die Angeklagte war bei einer Nachbarin. Als sie zurückkam, habe sie gesehen, dass Jaqueline Kopfverletzungen, blaue Flecken hatte. "Ich habe ihn angeschrien", er habe seine Unschuld beteuert. Auch am nächsten Tag ging sie nicht mit dem Kind zum Arzt, sondern nur in eine Apotheke. "Ich hatte Angst vor dem Jugendamt, davor, das Kind zu verlieren", sagt sie. Erst eine Bekannte, die kurz auf Jaqueline aufpasste, brachte das Kind ins Krankenhaus, zwei Tage nach dem Vorfall. Das Urteil: sechs Monate Haft auf Bewährung, für das Ehepaar Bewährungsstrafen von drei und vier Monaten.

Jaqueline lebt heute mit Nina R. in einer Mutter-Kind-Einrichtung unter Aufsicht. Sie hat eine lange Therapie hinter sich - mittlerweile geht es der Kleinen viel besser. (neh)