Der Michel einmal ganz anders: Nicht nur für die Kunstwelt überraschend, ist jetzt ein der Öffentlichkeit bisher kaum bekanntes Werk des 1987 verstorbenen Popkünstlers Andy Warhol aufgetaucht - mit einem Motiv des Hamburger Wahrzeichens.

Hamburg. In der renommierten Galerie "Burkhard Eikelmann Com" in Düsseldorf steht das wertvolle Exponat zum Verkauf.

"Ich habe mich gefreut, als ich von der Existenz des Bildes erfuhr", sagt die promovierte Kunsthistorikerin Vera Hoyer (30). "Den Michel am Rhein zu finden, das hat doch was." Zuvor hatte sich die 1,25 mal 1,06 Meter große Leinwandarbeit auf Spannrahmen im Privatbesitz befunden - seit mehr als einem Vierteljahrhundert. Erst nach dem Tod des Sammlers Hermann Wünsche wurde es in dessen Nachlass gefunden. Der mit 94 Jahren verstorbene Galerist aus Köln und Bonn, ein enger Freund Andy Warhols, hatte das Motiv entweder 1980 oder 1981 in Auftrag gegeben.

"Wann genau Warhol nach Hamburg kam, ist meines Wissens nicht bekannt", sagt Kunsthistorikerin Hoyer. Nach Studium, Promotion und insgesamt vier Jahren in Hamburg war die Neusserin im November 2008 mit einem Hauch Wehmut ins Rheinland zurückgekehrt. Warhols Michel entdeckte sie just in jener Galerie, in der sie jetzt als freie Mitarbeiterin aktiv ist. Über den Verkaufspreis des Werkes will sich der ansonsten auskunftsfreudige Galerist Burkhard Eikelmann partout nicht äußern: "Im Interesse der Erben." Bekannt ist nur, dass ähnliche Bilder des 1928 in Pittsburgh geborenen Andrej Warhola alias Andy Warhol teilweise für hohe sechsstellige Beträge den Besitzer wechselten.

Vor 28 Jahren waren die Werke preiswerter. Einer Ausgabe des Fachmagazins "Art" aus dem Jahr 1981 ist zu entnehmen, dass Kunstprofi Hermann Wünsche seinem prominenten Freund und Geschäftspartner Warhol vorschlug, nach Suppendosen, Cola-Flaschen und berühmten Menschen wie Mao auch Architektur auf seine markante Weise ins Bild zu setzen. Preisidee: 50 000 Mark (rund 26 000 Euro). Das war einmal ... Als Grundlage seines Schaffens wählte Warhol, seinerzeit Anfang 50, Schnappschüsse seines Hausfotografen Christopher Makos. Erste Arbeit war der Kölner Dom. Das Resultat sorgte in der Fachwelt für Erstaunen. Denn der Pop-Künstler unterlegte das Bauwerk mit bunten Farbkeilen, die er anschließend mit Diamantenstaub puderte. "Wie eine amerikanische Weihnachtskarte", befand "Art" leicht pikiert. Galerist Wünsche war begeistert: "Ein großer Wurf!" Warhol habe beglückt reagiert und fröhlich weitergearbeitet. Es folgten unter anderem das vom 50-Mark-Schein bekannte Holstentor zu Lübeck, der Berliner Reichstag (inklusive rot eingefärbter DDR-Mauer), die Vorburg zu Schloss Drachenburg im Siebengebirge - und eben der Michel. Name der Serie: "German Monuments". Vom Hamburger Wahrzeichen schuf der Amerikaner vier Versionen. "Drei von ihnen sind irgendwo privat unter Verschluss", sagte der Düsseldorfer Galerist Burkhard Eikelmann dem Abendblatt. "Ich weiß nur, dass sie sich nicht in Hamburg befinden - und dass sich die Besitzer nicht davon trennen wollen." Durch die Erben Wünsches kam er nun an das vierte Kunststück. Es handelt sich um eine Kombination aus Fotografie, Handzeichnungen und Acryl-Silhouetten. "Auf diese Art ergibt sich ein Michel im Vierklang", sagt Eikelmann. Dies beschere eine neue Sicht der weltberühmten Kirche. Eikelmanns ausdrücklicher Wunsch ist es, dass Warhols Michel dorthin gelangt, wo er seines Erachtens hingehört: nach Hamburg.