Ob Apotheken, Banken oder Coffeeshops: In Hamburgs Einkaufsstraßen blühen die Monokulturen. Anwohner und Quartiersmanager beklagen einseitiges Angebot.

"Sex, Luxus und ein guter Haarschnitt", wirbt der Friseur Unisex. Was wie billige Werbung im Rotlichtviertel klingt, ist seriöses Geschäftsgebaren an der Osterstraße, wo ein Haarschnitt an jeder Ecke für zehn Euro zu haben ist. Im Abstand von zehn bis 50 Metern buhlen hier Billigfriseure wie Happy Cut, 10er oder XL Cut um Kundschaft. In den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl auf insgesamt 13 Geschäfte gestiegen, weitere Salons liegen in den Seitenstraßen. Wozu brauchen die Eimsbüttler so viele Haar-Abschneider, wie kommt es zu dieser 'Friseurisierung'? "Eimsbüttel ist der am dichtesten besiedelte Stadtteil. Dementsprechend hoch ist die Nachfrage bei den Verbrauchern. Vor drei Jahren gab es eine 'Dönerisierung' der Osterstraße, jetzt sind es eben Friseure, die Ladengeschäfte stark nachfragen", sagt Til Bernstein, Quartiersmanager des Bezirks Eimsbüttel.

Das heißt: Dort, wo schon viel zu holen ist, siedeln sich verstärkt Ketten an, um ebenfalls ein großes Stück vom Kuchen zu bekommen. Nach dem Motto: Bekommt ein Kunde nicht sofort einen Termin, geht er einfach ein Haus weiter. Schließlich ähneln sich die Angebote der Billigfriseure aufs Haar. Davon profitieren vor allem die Ketten. "Viele kleinere Läden mussten schon schließen", sagt eine Ryf-Friseurin. "Die Billigfriseure fangen die Laufkundschaft ab, der Konkurrenzdruck ist enorm hoch. Unser Umsatz hat sich in den vergangenen Jahren halbiert." Bedarf sei aber immer noch da, sagt eine "Kollegin" aus einer der Billigketten.

Trotzdem geht die Friseurisierung zulasten des Branchenmixes. Til Bernstein: "Als Quartiersmanager hat man relativ wenig Einfluss auf die Branchen, die sich in Einkaufsstraßen ansiedeln. Jeder Eigentümer entscheidet selbst, wen er als Mieter aufnimmt." Bei regelmäßigen Treffen der Aktionsgemeinschaft Osterstraße fordert er daher ein weniger profitorientiertes Denken zugunsten einer abwechslungsreichen Einkaufsstraße.

Auch Heinz Oberlach, Sprecher der Handwerkskammer Hamburg, sieht die Friseurisierung kritisch: "Wir wünschen uns grundsätzlich eine Vielfalt unterschiedlicher Handwerksbetriebe in einem Stadtteil. Diese Vielseitigkeit sichert die wohnortnahe Versorgung der dort lebenden Menschen mit Handwerkerleistungen und trägt eine Menge dazu bei, wie lebendig ein Quartier ist." Oberlach weiter: "Letztendlich regelt aber der Markt, an welchem Standort ein Geschäft existieren kann." Während die Eimsbüttler überdurchschnittlich viele Haare lassen, tobt an der Hoheluftchaussee die tägliche Schlacht um Teigwaren. "Dat Backhus" wirbt allein mit drei Filialen um Kundschaft. Gerade hat "Nur Back" neu eröffnet, ein Backshop, der günstige Aufbackbrötchen verkauft. Peter Hansen, Sprecher des Bezirksamts Hamburg-Nord: "Die Filialisierung ist in vollem Gang. Man hat den Eindruck, dass ständig vom Gleichen mehr kommt." Diese Monokultur regt auch die Anwohner auf: "Überall gibt es das gleiche Angebot", sagt der Eppendorfer Hartwig Küster im Hinblick auf den fünften Coffeeshop, der demnächst an der Eppendorfer Landstraße eröffnet. Neben zwei Balzac-Filialen kamen zuletzt Lekkerbies und Starbucks hinzu. Campus startet in den kommenden Tagen am Eppendorfer Marktplatz. "So viel Kaffee kann man gar nicht trinken. Ein paar besondere Läden würden der Straße guttun, zum Beispiel eine gepflegte Teestube."

Ulf Kalkmann, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands Hamburg, beobachtet seit fast zehn Jahren, dass die Marktanteile von Filialisten zunehmen. "Es gibt immer weniger inhabergeführte Läden, die sich Mieten, Werbung und Logistik leisten können. Viele schließen sich daher Ketten mit einprägsamem Markennamen an, um zu überleben." Aber Kalkmann macht Einzelhändlern Mut: "Wer sich gegen Filialen durchsetzen will, muss heute sein Profil stärken. Das heißt, Inhaber müssen besonders kundenorientiert sein und gute Qualität bei exklusiven Produkten bieten." Kundenorientierter als an der Neuen Großen Bergstraße in Altona geht's nicht: Die Geschäfte dort haben sich einem speziellen Publikum verschrieben. Da hier die Ärztedichte besonders hoch ist, reiht sich eine Apotheke an die andere. Klaus-Peter Sydow, Vorsitzender des Trägerverbundes Einkaufscity Altona e. V.: "Wir sind zwar froh, wenn hier keine Geschäfte leer stehen und die Apotheken den anderen Läden Laufkundschaft bringen, aber dem Branchenmix der Einkaufsstraße tun sie nicht gut." Von gesundem Klima keine Spur: "Natürlich besteht Konkurrenz zwischen den Apotheken, aber jede versucht für sich eine Nische zu finden", sagt Hella Dierking, Leiterin der Einhorn-Apotheke. Vielseitigkeit hin oder her - letztendlich bestimmt der Kunde, welches Geschäft überlebt. Bester Beweis: die "Banken-Straße" in Othmarschen. An der Waitzstraße sitzen insgesamt fünf Geldinstitute - von der Deutschen Bank bis zur Hamburger Volksbank. Peter Lühr, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Waitzstraße e. V.: "Die Banken sind nun einmal in der Lage, auch hohe Mieten zu zahlen."