Sehr geehrter Herr Strunz,

am Donnerstag habe ich wieder annähernd zwei Stunden das Hamburger Abendblatt gelesen. Zugegeben, ich habe ausreichend Zeit dafür, aber die Fülle der angesprochenen Themen kann ich bei meinem breit gefächerten Interesse nicht mal eben "diagonal" überfliegen. Ich lese relativ schnell, aber eben auch sehr gründlich, und so kommt es, dass ich manchmal auch Fehler entdecke, die ich dem HA bzw. seinen Redakteuren/Innen per Mail mitteile.

Manche Artikel regen meinen Widerspruch, andere hingegen finde ich außergewöhnlich gut. Auch in solchen Fällen melde ich mich manchmal zu Wort. Aber immer wieder habe ich betont, wie "klasse" das Hamburger Abendblatt ist.

Wenn ich in NRW ab und an bin, lese ich die "WAZ" oder den "Kölner Stadtanzeiger". Dafür brauche ich nicht länger als eine Viertelstunde, dann habe ich diese Regionalzeitungen durch, das heißt überflogen.

Warum schreibe ich Ihnen das alles? Weil ich in Sorge bin, dass Sie auf dem Wege sind, ein "Eintopfblatt" werden zu wollen. Sie können es nicht allen Lesern recht machen. Eine - gute - Zeitung muss auch Artikel haben, die zum Widerspruch herausfordern, Kommentare, die zuspitzen und Themen, die heiß und umstritten sind. Dazu politisch immer ausgewogen.

Alles das hat "mein" Hamburger Abendblatt. Ob nun aber Ihre Aktion "Blattkritiker" zielführend sein wird, wage ich zu bezweifeln. Ich bin in großer Sorge, dass Sie in Ihrem Drang zur "Modernisierung" manches opfern werden, was diese Zeitung bisher auszeichnet.

Mit freundlichem Gruß

Horst Huster, Hamburg

Sehr geehrter Herr Huster,

Eintopf, ich gestehe es, liebe ich sehr. Am besten schmeckt er mir in unserer Kantine. Erdverbunden und gut gewürzt, garniert mit einer Portion Heimatgefühl. Bis dahin ist Eintopf gar kein so schlechtes Rezept auch für eine Zeitung.

Woher kommt also der Schmerz, den Sie mir mit dem Begriff "Eintopfblatt" bereitet haben? Ich glaube, es liegt am mitschwingenden Vorwurf - oder der Sorge - der Beliebigkeit. Dieses heutzutage so verbreitete Phänomen werden wir dem Abendblatt vom Leib halten. Mehr noch: Ich glaube, wer beliebig wird, wird austauschbar und geht unter. Es wird Sie nicht überraschen, dass dies nicht unser Plan ist.

Die Angst, dass wir es jedem recht machen wollen, kann ich Ihnen daher nehmen. Interessant: Bisher hat auch noch kein Blattkritiker gefordert, wir sollten dem Eintopf künftig Erdbeeren, Schokolade und scharfen Senf hinzufügen. Vielmehr wünschen sich die meisten, dass wir unser gutes Rezept noch verfeinern. Heißt: noch bessere Texte, ein zeitgemäßeres und hochwertigeres Layout und einen noch viel intensiveren Gedankenaustausch zwischen Lesern und Redaktion. Ich empfinde das auf dem Weg, das Abendblatt erfolgreich in die Zukunft zu führen, als außerordentlich motivierend.

Bis jetzt haben sich etwa 500 Leserinnen und Leser für eine Blattkritik beworben. Das signalisiert eine intensive Bindung ans Abendblatt bei gleichzeitigem maßvollen Veränderungswillen. Wir verstehen diese Botschaft und freuen uns auf jedes einzelne Gespräch mit denen, für die wir die Zeitung machen.

Selbstverständlich lade ich Sie, lieber Herr Huster, zu einer Blattkritik in die Redaktion ein. Dann können wir alle offenen Fragen klären und Ihre Anregungen persönlich diskutieren.

Herzlichst,

Ihr

Claus Strunz