1200 Polizisten bei 89 Razzien im Norden eingesetzt. Festnahme auch in Hamburg.

Hamburg/Kiel/Hannover. Der geheim gehaltene Einsatz begann um 5 Uhr am frühen Morgen: Mit der größten Polizeiaktion in der Geschichte Schleswig-Holsteins haben die Ermittlungsbehörden gestern in ganz Norddeutschland zum Schlag gegen die Rockergruppe Hells Angels ausgeholt. Im Fokus von Polizei und Staatsanwaltschaft standen Mitglieder des erst im Januar verbotenen Kieler Charters und der hannoversche Rockerboss Frank Hanebuth, eine der Führungsfiguren der Hells Angels in Deutschland.

1200 Polizisten waren im Einsatz, darunter 400 Beamte aus Spezialkommandos. Durchsucht wurden 89 Objekte im Großraum Kiel, neben Wohn- und Geschäftsräumen auch Bordelle im Kieler Rotlichtviertel. Die Polizei nahm fünf Mitglieder aus dem Führungskreis des Charters fest, einen davon in einer Wohnung in Hamburg. Sie sollen dem Haftrichter vorgeführt werden.

+++ Größte Razzia aller Zeiten gegen Rocker +++

Zeitgleich mit den Durchsuchungen in Kiel und in Hamburg stürmten Mitglieder der Anti-Terror-Einheit GSG 9 das Haus von "Höllenengel"-Chef Hanebuth in Bissendorf-Wietze bei Hannover. Die schwer bewaffneten Einsatzkräfte seilten sich aus einem Hubschrauber auf das mit Stacheldraht gesicherte Anwesen ab, andere Beamte brachen das Eingangstor auf. Die Staatsanwaltschaft Kiel ließ offen, was Hanebuth genau vorgeworfen wird. "Er spielt in zwei, drei Sachverhalten eine Rolle", sagte Sprecherin Birgit Heß.

Der Rockerbande werden Verstöße gegen das Waffengesetz, Körperverletzung, Erpressung, Menschenhandel, Korruption und ein Tötungsdelikt vorgeworfen. Bei der Staatsanwaltschaft laufen 194 Verfahren gegen 69 Beschuldigte, darunter offenbar auch gegen Käufer von Waffen aus der rechtsextremistischen Szene. Die Polizei geht zudem dem Verdacht nach, dass die Rockergruppe einen 47-jährigen Arbeitslosen tötete und dessen Leiche verschwinden ließ. Im Kieler Vorort Altenholz wurde eine Lagerhalle geräumt, die den Hells Angels als Treffpunkt diente. Polizisten suchten das Gelände mit Spürhunden ab. Die Leiche wird im Fundament der Halle vermutet. Tekin Bicer war am 30. April 2010 aus einer Gaststätte in Kiel-Gaarden verschwunden. Welche Verbindungen der türkischstämmige Familienvater zu den Hells Angels hatte, ist unklar.

Bei den Ermittlungen stieß die Polizei auch auf ein mögliches Leck in den eigenen Reihen. Ein Beamter soll der Bande Informationen geliefert und dafür Geld kassiert haben. Gegen ihn wurde ein Verfahren wegen Verdachts der Bestechlichkeit eingeleitet. Ermittelt wird auch gegen zwei weitere Beamte, Mitarbeiter einer Haftanstalt und der Stadt Kiel. Beide sollen ebenfalls Geld von den Hells Angels erhalten haben.