Alternative zum teuren Wohnen in der Stadt: Baugemeinschaften in Hamburg nehmen deutlich zu. Behörde hat Grundstücke reserviert.

Hamburg. Peter Kurz mag diese Ecke Hamburg, innenstadtnah und direkt an der Elbe gelegen ist sie. Moderne Wohnhäuser stehen dort in der HafenCity, Menschen flanieren am Ufer. Ein schöner Blick. Und meist ein sehr teurer, wenn man aus dem eigenen Fenster schauen will. Zu teuer sogar, sagt der 42-jährige Betriebswirt, der sich als Normalverdiener einordnen würde. "Doch wohnen in der Stadt, das geht kaum noch, wenn man sonst seinen Lebensstandard halten möchte", sagt er. Mit rund 23 anderen Hamburgern, Leuten, die er vorher nicht kannte, hat er sich deshalb zusammengetan und im Frühjahr eine Baugemeinschaft mit dem schönen Namen "Tor zur Welt" gegründet. Ihr Plan: ein mehrstöckiges Holz-Wohnhaus, architektonisch und ökologisch herausragend, mitten in der HafenCity zu bauen. Jeder zahlte eine Einlage von 500 Euro, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) wurde gegründet; Vereinbarungen mit Ausstiegs- und Anti-Spekulationsklauseln formuliert. Gut 25 Prozent günstiger, schätzt Kurz, wird ein solcher Weg, statt teuer eine Eigentumswohnung von einem Bauträger zu kaufen.

Steigende Immobilien- und Mietpreise in der Stadt bringen offensichtlich immer mehr Hamburger auf eine solche Idee. Der ursprünglich bei alternativen Wohnprojekten entstandene Begriff Baugemeinschaft hat sich längst auch als Wohnmodell für den ganz normalen Mittelstand entwickelt. Rund 95 solcher Zusammenschlüsse gibt es nach Zahlen der Stadtentwicklungsbehörde derzeit in Hamburg. 2138 Wohneinheiten zählen dazu. Das ist angesichts von rund 900 000 Wohnungen in der Stadt noch gering - doch der Trend, so sagt Behördensprecherin Helma Krstanoski, zeigt steil nach oben: Allein 2010 waren 30 neue Baugemeinschaften hinzugekommen. Und in den ersten Monaten dieses Jahres registrierte die Behörde schon 26 Neugründungen.

Die Stadt fördert solche Projekte mit Krediten und auch bei der Vergabe von Grundstücken. 20 Prozent der geeigneten und stadteigenen Flächen sind für Baugemeinschaften reserviert. Bei der Stadtentwicklungsbehörde ist dazu eigens eine Agentur für sie angesiedelt, die Beratung und Grundstückvergabe regelt.

Im Vergleich zu Tübingen oder Freiburg ist diese Förderung zwar noch zaghaft, in den beiden Uni-Städten prägen Baugemeinschaften ganze Viertel. "Doch im bundesweiten Vergleich liegt Hamburg bei der Förderung ansonsten schon weit vorne", sagt Werner Jürges von der Hamburger Lawaetz-Stiftung, die Baugemeinschaften bei dem oft recht langen Planungsprozess berät. Warum sie sich gerade in Hamburg zunehmend bilden, dafür gebe es eine einfache Erklärung, sagt der 47-jährige Kaufmann. "Da wird einfach die Spekulation rausgenommen, die sonst in boomenden Städten lockt." So komme es durchaus mal vor, dass beim Kauf von Baugrundstücken private Unternehmen kräftige Aufschläge kalkulieren. Tatsächlich zahlt man in der HafenCity bei Baugemeinschaften laut "Welt" ab 2850 Euro pro Quadratmeter Wohnraum, bei Bauträgern ab 3500 Euro.

Ein Preisunterschied, der den lahmliegenden Wohnungsbau in Hamburg ankurbeln könnte, weil Bauwilligen eine Alternative geboten wird. Zusätzlich zu ihrer Förderung hat die Stadt daher in diesem Jahr erstmals sogar einen Preis für Baugemeinschaften ausgelobt, der im Juni öffentlich verliehen wird, um die Idee bekannter zu machen. Der erste Preis steht schon fest: Die Baugemeinschaft Greves Garten in Bergedorf wird ihn bekommen. Offensichtlich hat die Vielfalt dieses Projekts den Ausschlag dafür gegeben, sagt Jens Marzian, einer der Gründer der Gemeinschaft: Ihr gehören 54 Erwachsene aller Altersgruppen und 37 Kinder an, die im eigenen Hort betreut werden. Es gibt Neubauten mit hohem Energie-Standard, aber auch restaurierte Altbauten. Ein Teil der Bewohner sind selbst Eigentümer einer Wohnung, andere Mieter bei der gemeinsamen Genossenschaft. Das Gebäude-Ensemble mitten in Bergedorf wirkt wie eine ländliche Bauergartenidylle, Beete sind frisch gepflanzt. Auf der Terrasse eines älteren Ehepaars blühen Blumen in wohl sortierten Kübeln, direkt nebenan haben sich Kleinkinder auf einem Sandhügel ihr wildes Spielparadies geschaffen. "Das Zusammenleben funktioniert", sagt Marzian. 2004 hatte die Baugemeinschaft Grundstück und Altgebäude nach jahrelangem Bemühen von der Stadt gekauft und zwei Jahre bis zum Einzug geplant, überlegt, diskutiert und gemeinsam viel auch in Eigenarbeit selbst geleistet. "Das schweißt zusammen", sagt Marizan.

Offenbar keine schlechte Voraussetzung für eine gute Nachbarschaft: Bisher, sagt Marzian, sei nur einer der Bewohner wieder weggezogen, "der Liebe wegen".

Und "Greves Garten" in Bergedorfer hat quasi Nachwuchs bekommen. In der Nachbarschaft baut nun bereits eine zweite Baugemeinschaft ihr neues Zuhause.