Klaus-Peter Schöppner ist Geschäftsführer des Instituts für Meinungsforschung Emnid

Hamburger Abendblatt:

1. Mit 95 Prozent wurde Philipp Rösler zum neuen Parteichef gewählt. Ist die FDP nun eine neue Partei?

Klaus-Peter Schöppner:

Nein, wir sehen keine neue Partei. Aber eine FDP, die vor einem Neustart steht. Der ehemalige Parteichef Guido Westerwelle hatte in seinem Auftreten den Bogen deutlich überspannt. Er wirkte arrogant, er hatte kaum Empathie. Mit Rösler bringt sich die FDP mit einem neuen Politikstil zurück ins Rennen.

2. Röslers Familie war mit auf dem Parteitag. Nach seiner Wahl schlenderte er mit einer seiner Töchter durch die Tagungshalle. Wie authentisch ist der Stil von Rösler?

Schöppner:

Sehr. Entscheidend ist aber, ob es auch die neue FDP ist. Die Wähler wollen nicht mehr eine rein interessengesteuerte Partei, zum Beispiel eine CDU, die nur auf der Seite der Unternehmer steht. Sie wollen auch keine SPD, die nur die Arbeiter vertritt. Rösler kann die FDP zu einer Bürgerlobby-Partei führen. Dabei ist seine Glaubwürdigkeit - und die Nähe der Partei zum Bürger - enorm wichtig für den Wähler.

3. Wie viel Westerwelle steckt noch in der liberalen Partei nach dem Machtwechsel in der Spitze?

Schöppner:

In Philipp Rösler steckt noch eine ganze Menge von Guido Westerwelle: Nicht nur die Liberalität, sondern auch die Haltung, vom Bürger auch Pflichten einzufordern. Doch die Idee einer Partei der Bürger hat sich seit der Finanzkrise durchgesetzt. Die Gesellschaft glaubt nicht mehr an den ewigen Wohlstand. Globalisierung und Wirtschaftskrise haben zu einem Paradigmenwechsel geführt. Der Ruf nach einem starken Staat ist groß - und der Spielraum der FDP entsprechend klein. Dennoch können sie mit dem Vorsitzenden Rösler wieder zehn Prozent bei den Wahlen erreichen.

4. Rösler hat in Rostock die Themen Bildung und Familie hervorgehoben. Wie stark geht es der FDP noch Steuersenkungen?

Schöppner:

Es ist ein Paradoxon, dass Tage nach der Steuerschätzung und einem Plus von 135 Milliarden im Fiskus dieses Thema auf dem FDP-Parteitag kaum Platz findet. Langfristig schadet es der Partei, wenn sie sich von Westerwelles Motto "Mehr Netto vom Brutto" trennt.

5. Was bedeutet der Machtwechsel in der FDP für die schwarz-gelbe Koalition der Kanzlerin?

Schöppner:

Für die CDU und Kanzlerin Merkel ist die neue FDP eine knifflige Herausforderung. Wenn die Liberalen sich wieder als ernst zu nehmende Partei der Bürgerrechte und der Unternehmer etablieren, muss die Union ihr Profil an dieser Stelle schärfen. Gleichzeitig darf sie die grünen CDU-Wähler nicht mit einem wirtschaftsliberalen Kurs verprellen. Je stärker die FDP wird, desto mehr treibt sie die CDU in diesen Zwei-Fronten-Wahlkampf.