Ein Kommentar von Kai-Hinrich Renner

Der Henri-Nannen-Preis gilt als die renommierteste Auszeichnung für deutschsprachige Printjournalisten. Dennoch hat er ein Glaubwürdigkeitsproblem. Seine Kategorien sind willkürlich, die Entscheidungsfindung ist intransparent, mitunter gar fragwürdig. Das war schon vor der umstrittenen Vergabe des Reportagepreises an René Pfister so. Warum dürfen Hauptjuroren an der Vorjury vorbei Stücke ihrer eigenen Blätter nominieren?

2010 machten die Chefredakteure von "Geo", "Zeit" und "Spiegel" von dieser Möglichkeit rege Gebrauch. Wieso können Stücke, die von der Vorjury mit großer Mehrheit nominiert wurden, mal eben im Orkus verschwinden? 2009 erging es in der Kategorie "Beste investigative Leistung" dem "Stern" mit der Aufdeckung des Spitzelskandals bei Lidl so. Und wie kann es sein, dass dieses Jahr die mit Abstand beste Reportage, Susanne Leinemanns Stück "Der Überfall", in die Kategorie Sonderpreis abgeschoben wird und ein Text, der ein Porträt ist, den Reportagepreis gewinnt?

Der Nannen-Preis benötigt eine Reform an Haupt und Gliedern, will er sein Renommee zurückgewinnen. Bei dieser Gelegenheit könnte auch geklärt werden, warum es immer noch keinen Preis für Online-Journalismus gibt. Und man könnte sich von der überflüssigen Kategorie Humor verabschieden: Mangels anderer geeigneter Preisträger wurde der "Welt"-Autor Hans Zippert zum zweiten Mal in nur vier Jahren ausgezeichnet.