Sie pflanzen überall da, wo es ihnen gefällt. Die Behörden dulden es in der Regel. Guerilla Gardening hat seine Wurzeln in Amerika.

Hamburg. Ihre Hände sind schmutzig, die braune Erde setzt sich erbarmungslos unter den Fingernägeln fest. Flori kniet im Sand und drückt vor einem Wohnhaus auf St. Pauli ein Vergissmeinnicht in den Boden. In ein Beet, das eigentlich keines ist. Sondern nur ein kleines Quadrat auf dem Bürgersteig, das man nicht mit Asphalt zugepflastert hat, damit der Baum in seiner Mitte ein bisschen atmen kann. Eine öffentliche Grünfläche und damit auch ein beliebter Ort für die Hinterlassenschaften der Hunde. Für Müll und Zigarettenkippen. Flori, die eigentlich anders heißt, hat eines Tages beschlossen, dieses Fleckchen Erde schöner und vor allem grüner zu machen. Einfach so und ohne vorher zu fragen.

Flori nahm sich also Schaufel, Gießkanne und Harke, packte alles nebst ein paar Blumenzwiebeln in einen Handwagen und begann zu pflanzen. "Weil Blumen besser sind als Brachen und sich fast jeder darüber freut." Ihre Inspiration: Das "Guerilla Gardening" - eine internationale Bewegung, die aus den USA und England bis nach Deutschland geschwappt ist und mittlerweile auch Hamburg erreicht hat. Ihr Ziel: die Städte grüner machen. Mehr oder weniger heimlich zieht die Garten-Guerilla in den Abend- oder Nachtstunden durch die Straßen, verstreut Blumensamen oder steckt Setzlinge in die Erde. Auf Verkehrsinseln, Grünstreifen oder Baumumrandungen. Gerade jetzt im Frühling sind die produktiven Partisanen mit dem grünen Daumen wieder unterwegs. Allerdings: So schön ihre Arbeit sein mag, so illegal ist sie auch. So wie beim Graffiti darf nicht jeder öffentliche Orte nach eigenem Gutdünken verschönern. Trotzdem drücken die Ordnungsämter bei den heimlichen Gärtnern meist beide Augen zu.

Zwar verfügen die Bezirke über ein bestimmtes Budget zur Pflege ihrer Grünflächen - jedoch ist es in den letzten Jahren nach diversen Rotstift-Runden immer kleiner geworden. "Deshalb freuen wir uns prinzipiell schon, wenn sich engagierte Bürger um die Grünflächen kümmern", sagt Lars Schmidt, Sprecher des Bezirks Mitte. "Allerdings würden wir gern davon wissen. Schließlich gehen wir ja auch nicht in private Gärten und pflanzen da irgendetwas." Zwar sei es generell in Ordnung "wenn jemand in Maßen irgendwo ein paar Stiefmütterchen hinsetzt", einen Baum zu pflanzen gehe jedoch zu weit. Vor allem, wenn die Wurzeln irgendwann die Gehwegplatten nach oben drücken.

So weit dürfte es aber ohnehin nicht kommen - denn Bäume sind nicht die bevorzugten Pflanzen der Gardening-Guerillas. Viele bevorzugen Stockrosen, deren Samen äußerst anspruchslos sind, was Boden- und Lichtverhältnisse betrifft. Gerade im Frühling sind auch Tulpen, Narzissen oder Sonnenblumen beliebt. Flori setzt unter anderem auf Topinambur, deren Wurzelknolle sogar essbar ist, die aber auch ab Spätsommer gelb blüht. Ihre Samen bekommt Flori aus eigener Aufzucht, manchmal buddelt sie auch einen Setzling aus einem stillgelegten Schrebergarten aus. "Wir Guerilla-Gärtner klauen keine Blumen", sagt sie.

Guerilla Gardening, so ist es überliefert, hat seine Wurzeln im ewigen Stadtgrau der Mega-Metropole New York. Schon in den 70er-Jahren sollen hier junge Leute ausgeströmt sein, um Blumensamen auf kleinen Grünflächen und brachliegende Grundstücke zu verteilen. Populär wurde die Bewegung jedoch vor allem, seit sich der Brite und Oxford-Absolvent Richard Reynolds dem Thema widmete. Sein Buch "Guerilla Gardening - ein botanisches Manifest" ist auch seit einem Jahr auf Deutsch erhältlich. Auf seiner Internetseite hat er viele Tipps und Anregungen zusammengefasst und ein mittlerweile internationales Forum etabliert, in dem sich Garten-Guerillas aus aller Welt austauschen und zu gemeinsamen Aktionen verabreden.

Auch Flori ist in diesem Forum aktiv und ruft andere Hamburger zum Mitmachen auf. An ein bis zwei Abenden pro Woche gräbt, hegt und pflegt sie auf St. Pauli. Eben einmal, weil es die Menschen erfreuen soll. Aber auch, weil ein "pflanzliches Statement auch ein politisches Statement ist" - also ein Bekenntnis zu Natur- und Umweltschutz. "Dafür kümmere ich mich auch regelmäßig um meine Beete, entsorge den Müll, die Kippen und den Hundekot."

Auch die Stadt selbst hat ein Interesse daran, dass ihre Grünflächen gepflegt sind. Lars Schmidt, Sprecher des Bezirks Mitte, empfiehlt allen, die sich entsprechend engagieren wollen, die sogenannte Grünpatenschaft. "Die Menschen können sich bei uns melden und offiziell die Pflege einer Grünfläche übernehmen", sagt er. Der Guerilla-Faktor ist dann allerdings nicht mehr dabei.

Für manche heimliche Gärtner scheint das allerdings auch keine allzu große Rolle zu spielen. Eine Hamburgerin, die sich selbst "Stadtelfin" nennt, findet den Begriff "Guerilla Gardening" ohnehin zu kriegerisch. "Ich sehe mich vielmehr als friedvolle Stadtentwicklerin, deren Motivation es ist, Freude zu schaffen." Für andere, und für sich selbst - so wie es auch Flori sieht. "Es ist einfach großartig, sich nach einem langen Tag noch mal richtig die Finger schmutzig zu machen."