Jakob Cramer vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin gibt Tipps für das Reisen mit Kindern

Weniger ist mehr - das empfiehlt der Mediziner Eltern, die oft lange Touren mit ihren Kindern unternehmen.

Hamburger Abendblatt:

Wie viel Reisen können Eltern ihren Kindern zumuten?

Jakob Cramer:

Auch kleine Kinder können einiges schultern. Bei längeren Reisezeiten ist natürlich an Unterhaltung und entsprechende Verpflegung zu denken. Machen Sie viele Pausen und vielleicht einen Stopp in einem Flughafenrestaurant oder an der Tankstelle. Was gelegentlich aus den Augen gerät: Während die Eltern manchmal dazu neigen, die Reisestrapazen möglichst rasch abzuhaken, ist für das Kind bereits der Weg das Ziel: zusammen sein und Spaß haben, egal wo, auch im Bahnabteil.

Ist es egoistisch, mit einem kleinen Kind schon eine Fernreise anzutreten?

Nein, es muss ja nicht immer gleich in die Tropen gehen. Aber in jedem Fall sollten sich die Eltern aufrichtig fragen, was das Kind von ihrem Wunschziel hat. Wellenreiten in Asien zum Beispiel ist sicher toll für Vater oder Mutter, wenn der Dreijährige aber vom Strand aus nur zuguckt, ist das egoistisch. Bei Reisen in die Tropen und Subtropen sollten Sie sich früh genug gut informieren, um ausreichend Zeit für die Durchführung von eventuell notwendigen (Mehrfach-)Impfungen zu haben.

Sollten Säuglinge ihre Ferien in gemäßigten Breiten verbringen?

Ja, grundsätzlich sollten Säuglinge nicht in tropische Länder reisen. Neben Infektionsgefahren werden sie weiteren Belastungen augesetzt: klimatischen (hohe Temperaturen, hohe Luftfeuchtigkeit), hygienischen (eingeschränkte Trinkwasser- und Nahrungsmittelqualität), körperlichen (Höhenunterschiede, Wartezeiten an Flughäfen) und seelischen (fremdes Umfeld, Stresssituationen, Übertragung von Nervosität der Eltern). Es gibt alternative Ziele, die näher liegen und weniger Risiken bergen.

Welche Ziele sind für Hamburger Familien empfehlenswert?

Warum nicht die Fjorde Skandinaviens erkunden oder die Wasserlandschaften in den Niederlanden? Mit kurzen Flügen kommen Sie auch nach Großbritannien, ins Baltikum, in die Schweiz, nach Österreich oder Südeuropa. Noch näher bietet Deutschland selbst viele spannende Ziele: die Mecklenburger Seenplatte, die friesischen Inseln, Helgoland, die Ostseeinseln oder die Heide südlich und westlich von Hamburg.

Haben Kinder beim Fliegen mehr Probleme als Erwachsene?

Ja, der Druckausgleich fällt ihnen schwerer. Häufiges Schlucken bei gleichzeitigem Zuhalten der Nase hilft. Warten Sie damit nicht zu lange nach Beginn des Landeanflugs, da sich sonst ein zu großer Druckgradient aufbaut. Unterstützen kann man dies durch Kaugummikauen. Oder Sie heben einen Orangensaft für den Landeanflug auf, der den Speichelfluss und damit häufiges Schlucken anregt.