Im Bezirk Altona hat man sich mit den Aktivisten der Roten Flora längst arrangiert. Nun stärken ihnen auch Parteien und Behörden den Rücken.

Hamburg. Für die linke Szene ist die Rote Flora ein hart erkämpfter Ort – ein Gebäude mit Symbolcharakter, mitten im Stadtteil Sternschanze. Eine Räumung des linken Kulturzentrums am Schulterblatt, da sind sich Sicherheitsexperten in Hamburg einig, würde massive Proteste und wahrscheinlich auch gewalttätige Auseinandersetzungen mit sich bringen. Allerdings muss es so weit gar nicht kommen. Die Äußerungen des Flora-Eigentümers Klausmartin Kretschmer über eine mögliche Nutzung als Konzertsaal werden von Polizei und Behörden als substanzlos und damit nicht realisierbar angesehen. Strittige Punkte aus dem Vertrag mit der Stadt würden absehbar langwierig per Gericht geklärt werden müssen.

Dass das „Säbelrasseln“ Kretschmers allein eine Eskalation mit den „Floristen“ und ihren Unterstützern heraufbeschwört, das glauben die Sicherheitsexperten nicht. „Zu einer großen Eskalation wird es nicht kommen. Dafür sind die maßgeblichen Akteure der linken Szene viel zu erfahren“, so ein Beamter.

Mit dieser Szene hat man sich im Bezirk Altona längst arrangiert. Sogar die CDU gibt sich zum Thema Rote Flora moderat. „Solange von dort keine Gewalttaten ausgehen, muss man so etwas mal in Hamburg akzeptieren können“, sagt CDU-Bauexperte Sven Hielscher. Die Christdemokraten unterstützen daher ein Bebauungsplanverfahren des Bezirks, das den Istzustand der Roten Flora quasi einfrieren soll. Umbau oder ein Abriss des besetzten Zentrums wären dann nicht mehr möglich, Ende des Jahres soll der Plan rechtsgültig werden. Ohnehin geht man in der Bezirkspolitik davon aus, dass der Zulauf gering geworden und der Kreis der Unterstützerszene sehr vielfältig geworden ist.

Manche Nächte stehe die Rote Flora schlicht leer, heißt es bei Bezirkspolitikern. Möglicherweise, so die Einschätzung, werde sich die Nutzung der Roten Flora im Laufe der Jahre auch verändern, wenn die Szene der aktiven Unterstützer bröckelt.

Kai Voet van Vormizeele, innenpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, bezeichnet die Pläne von Klausmartin Kretschmer als „abstrusen Vorschlag, der an den Realitäten“ vorbeigehe. „Es gilt schließlich ein Bebauungsplan.“ Auch er ist der Ansicht, Kretschmer wolle den Preis für die Rote Flora in die Höhe treiben. „Herr Kretschmer ist nicht an Lösungen mit der Stadt interessiert. Er ist offenbar in so großer finanzieller Not, dass er jetzt Kasse machen muss.“

Das sieht auch Dirk Kienscherf, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, so. „Die Pläne dienen allein dem Ziel, den Preis für das Gebäude in die Höhe zu treiben.“ Die Rechtslage sei eindeutig. Kretschmer könne versuchen, dagegen zu klagen, werde sich aber nicht durchsetzen, so Kienscherf. Der Investor sei aufgefordert, sich konstruktiv an einer Zusammenarbeit zu beteiligen. „Aber das will er gar nicht.“ Die Stadt sei gut beraten, sich nicht von Kretschmer unter Druck setzen zu lassen.

Kienscherf betonte, dass „keiner in der Hamburger Politik“ einen Konflikt mit der Roten Flora wolle: „Die gehört zum Schanzenviertel.“ Kretschmer kenne das Angebot der Stadt. „Er kann jetzt überlegen, sich konstruktiv zu verhalten oder so weiterzumachen wie bisher“, sagt Kienscherf. „Wenn er Letzteres macht, wird das nicht erfolgreich sein.“ Der Plan des Flora-Eigentümer Klausmartin Kretschmer dürfte den Rotfloristen daher ganz gelegen kommen. „Da haben sie endlich wieder einen Feind von außen und können mehr Leute mobilisieren für ihre Sache“, so ein Politiker.

Dass es gezielte Aktionen gegen Kretschmer, vor allem gegen seine Immobilien geben könnte, schließt man in Sicherheitskreisen nicht aus. „Es waren fast immer kleine, abgeschottete Gruppen, die in der Vergangenheit Farb- oder Brandanschläge auf Gebäude oder Sachen verübt haben. Diese Strategie hat sich für die Szene bewährt“, sagt ein Beamter. „Dafür braucht man kein großes Unterstützerumfeld.“

Tatsächlich sind sich Experten und Insider einig, dass es um die linke Szene in Hamburg nicht mehr so gut bestellt ist wie noch vor einigen Jahren. „Im vergangenen Jahr stufte der Verfassungsschutz in Hamburg 1120 Personen als Linksextremisten ein, darunter 620 als gewaltorientiert“, so Marco Haase vom Landesamt für Verfassungsschutz. Geprägt wird die Szene nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes durch sogenannte undogmatische Linksextremisten, hinter denen sich Autonome, Antiimperialisten und Anarchisten verbergen.

Ist die Rote Flora ein Sammelbecken für solche Gruppen? Insider der Szene sehen das nicht so. Auch wenn ein erster, später aufgekündigter Nutzungsvertrag mit der Stadt mit dem damals neugegründeten Verein Flora geschlossen wurde – verbindlich organisiert sei niemand. Auf den Verein laufen nur noch die Rechnungen für die sogenannten Nebenkosten des ehemaligen Theaters, also Strom, Gas und Wasser, die aus den Einnahmen aus Eintrittsgeldern bestritten werden. Was übrig bleibt, werde gespendet.

Die eigentliche Flora, die eben keine autonome Trutzburg sei, machten zahlreiche Gruppen aus, die das Gebäude im Sinne eines Stadtteil-Kulturzentrums nutzen. Der gemeinsame kleinste Nenner, der alle Gruppen zusammenbringe, sei die Flora selbst. Mehr als 100 Personen sollen einen Schlüssel zum Haus besitzen. Übergeordnetes Gremium ist die Vollversammlung, die bei wichtigen Themen einberufen wird. So werden auch am kommenden Donnerstag 80 bis 100 Vertreter der unterschiedlichsten Nutzer der Flora zusammenkommen, um über die aktuelle Entwicklung zu diskutieren.

Ein Angriff auf die Flora würde nicht nur die Szene mobilisieren, sondern alle, die ihre eigene Geschichte mit der der Flora verbinden, heißt es. Zumindest in dem Punkt ist man sich mit den Sicherheitsbehörden einig: 3000 bis 5000 Menschen würden für einen „Kampf um die Rote Flora“ auf die Straße gehen. Der Protest würde das linke bürgerliche Spektrum mobilisieren – auch überregional.