15.000 Besucher beim Europäischen Festival Europom im Botanischen Garten. Veranstalter wollen Raritäten zu einer Renaissance verhelfen.

Klein Flottbek. Petra Schwarz, Leiterin des Loki-Schmidt-Hauses, steht im Foyer des Gebäudes und schenkt Apfelsaft aus. Während immer mehr Besucher zum Europäischen Apfelfestival Europom in den Botanischen Garten strömen, begleitet Petra Schwarz einige Gäste in den ersten Stock. Dort gibt es eine kleine Ausstellung mit illustrierten Tafeln. Sie dokumentieren zum Beispiel, woher die Äpfel in Hamburgs Supermärkten stammen. Im August – das ergab eine Umfrage des Loki-Schmidt-Hauses in Discountern und auf Wochenmärkten – dominierte Obst aus Übersee und dem Mittelmeerraum. Erst im September gelangten mit Gravensteiner und Red Prince verstärkt deutsche Äpfel in die Auslagen. „Insgesamt sind es aber noch viel zu wenige“, sagt Petra Schwarz.

Damit alte deutsche und europäische Apfelsorten wieder in aller Munde sind, trafen sich am Wochenende Apfelkundler (Pomologen) und Verbraucher rund um das Loki-Schmidt-Haus zum 24. Europäischen Apfelfestival Europom. Das Treffen mit Experten aus 13 Ländern fand zum ersten Mal in der Hansestadt statt und ersetzte in diesem Jahr die traditionellen Norddeutschen Apfeltage in Ammersbek. Auf dem Programm standen Vorträge über Streuobstwiesen genauso wie ein wissenschaftliches Symposium über Obstsorten im Ostseeraum. Nach Angaben von Veranstalter Ulrich Kubina besuchten rund 15.000 Gäste das europäische Apfelfestival, das am Sonntag zu Ende ging. „Wir freuen uns über das große Interesse. Gerade in dieser ruhigen, gelassenen Atmosphäre können Besucher und Aussteller intensiv ins Gespräch kommen.“

Sehen und gesehen werden heißt es auch beim Apfel und seinen Freunden. Die Stars des Festivals in den weißen Pagodenzelten thronen leuchtend auf den Tellern und werden von den Besuchern bestaunt und begutachtet. Auf einem meterlangen Tisch liegen, klar voneinander getrennt, die typisch norddeutschen Apfelsorten wie der Finkenwerder Herbstprinz. Nebenan grüßen pausbäckig die Rood Klumpke aus Belgien, die Rote Schafsnase aus Österreich und Kalmar Glasäpple aus Schweden. „Wir sind begeistert von dem riesigen Angebot hier“, sagen die beiden Volksdorfer Besucher Barbara und Klaus Uther. Wer die Europom besucht, kann nicht nur mit Pomologen ins Gespräch kommen, selbst mitgebrachte Sorten fachmännisch bestimmen lassen und viele Informationen rund um die Streuobstwiesen bekommen. Vor allem können an den Ständen Äpfel gekauft und probiert werden. Sie stammen weder aus Neuseeland noch Italien, sondern aus Lüneburg, dem Alten Land oder Sasel. Mit einem Verkaufsstand sind die beiden Saseler Streuobstbauern Elke und Dieter Nitz präsent. Auf ihrer 2,5Hektar großen Wiese wachsen rund 100 alte Apfelsorten. „Wir haben für diese Messe extra 30 Sorten aus dem Bestand von 1937 bis 1947 mitgebracht“, sagt Dieter Nitz. Und schenkt einem Gast Apfel-Cidre aus. „Das“, strahlt er, „ist mein Apfel-Champagner.“ Weil der ein bisschen sauer schmeckt, bietet Nitz sogleich eine weitere heimische Spezialität an: Saft von der ganz seltenen Bananen-Renette (auch eine Apfelsorte). Süß wie die tropische Bananenfrucht.

Mitten im Botanischen Garten hat unterdessen Olaf Andersson seinen Stand über die Lüneburger Streuobstwiesen aufgebaut. Andersson ist Vorsitzender des regionalen Streuobstwiesenvereins und hilft Interessenten, eine Wiese mit alten Apfelsorten professionell anzulegen. „Viele Besucher“, erzählt er, „fragen mich nach ganz bestimmten Apfelsorten, die sie mit ihrer Kindheit verbinden.“ Und so könnten eines Tages auf den neu angelegten Streuobstwiesen wie einst der Danziger Kantapfel, das Juwel aus Kirchwerder und Lord Derby, wachsen. Längst hat sich die Europom zu einer feinen, nicht kommerzialisierten Messe entwickelt, die ohne staatliche Zuschüsse auskommt. Die angereisten internationalen Gäste sind vom Flair rund das Loki-Schmidt-Haus fasziniert. Pomologe Marcel Tross aus dem niederländischen Neede: „Ich bin begeistert von dem großen Besucherandrang. Das habe ich nicht erwartet.“ An seinem Stand zeigt er unter anderem einen Apfel von der Sorte Howgate Wonder, der regelmäßige und wohl auch reiche Erträge bringt.

Nicht zuletzt durch den internationalen Austausch konnte nachgewiesen werden, dass allein im norddeutschen Raum vor gut 200 Jahren rund 700 Apfelsorten angebaut wurden. „Damit die alten Sorten eine Renaissance erleben, werden wir weiter dafür werben“, sagt Kubina. „Zum Beispiel mit den Apfeltagen 2014.“

Inzwischen hat Petra Schwarz, die Leiterin des Loki-Schmidt-Hauses, die Besuchergruppe verabschiedet. Auch sie kann nur staunen über die Vielfalt der Apfelsorten. Und darüber, wie wenige davon im Handel zu haben sind. „Von den rund 1500 Apfelsorten werden in den Geschäften höchstens 200 angeboten.“