Einst Dreimast-Schoner, dann wichtige Wegmarke in der Elbmündung. Axel Tiedemann hat das Feuerschiff „Elbe 3“ zu seinem 125. Geburtstag in Oevelgönne besucht.

Gerd Peters erinnert sich gut an diesen Törn vor ein paar Jahren: Ein heftiger Sturm hatte sich in der Nordsee aufgebaut, und das Hamburger Museumsschiff stampfte mit seiner alten Maschine langsam in den Wellen Richtung Wilhelmshaven. Bis auf drei Leute war die Mannschaft seekrank, doch Peters fühlte sich nach einiger Zeit wie in „Abrahams Schoß“, wie er sagt. Gut lag die „Elbe 3“ in der See, kaum Wasser kam über. Erstaunlich harmonisch bewegte sich das eher kleine Schiff in dem schweren Wetter. „Die wussten früher schon, wie man Schiffe baut – nicht solche Schuhkartons wie heute“, sagt er, steckt die Schachtel filterlose Reval in die Hemdtasche und schließt für einen Rundgang die Tür zur Brücke auf. Im Museumshafen Oevelgönne ist seit 1979 der Stammliegeplatz des markant roten Feuerschiffs.

Peters ist Obmann des Fördervereins und ehrenamtlicher Kapitän zugleich, ein pensionierter Nautiker mit weißem Bart und Strickmütze. Eine Art Begrüßungsschiff des Hamburger Hafens ist die „Elbe 3“ hier. Und heute das weltweit älteste noch seetüchtige Feuerschiff der Welt. Vor 125 Jahren war es in Bremen noch als Dreimast-Schoner vom Stapel gelaufen, ein Jubiläum, das an diesem Sonnabend im Museumshafen groß gefeiert wird. Diese Herkunft als Segelschiff macht nach Ansicht von Peters die guten See-Eigenschaften eines Schiffstyps aus, den es heute eben nur noch als Museum gibt. 1988 wurden die letzten deutschen bemannten Feuerschiffe außer Dienst gestellt und durch Leuchttürme oder Tonnen ersetzt. Und 1994 verließ in Belgien auch das weltweit letzte Feuerschiff mit Crew seine feste Position.

Bis nach Lühe kurz vor Hamburg reichte früher im 19. Jahrhundert die Reihe der Feuerschiffe, zuletzt gab es in der Elbmündung „Elbe 1“ bis „Elbe 3“, die fest vor einem mächtigen Anker mit ihrem weit sichtbaren Leuchtfeuer das sichere Fahrwasser zwischen den tückischen Sandbänken und Untiefen markierten. Überall dort, wo der Bau von festen Leuchttürmen technisch lange nicht zu bewerkstelligen war.

Instandsetzung, Rost klopfen, Wetter beobachten – das war die Routine

Es muss ein harter Job gewesen sein dort draußen. Wenn die See an der schweren Ankerkette zerrte, wenn im Nebel Kollisionen drohten, das Schiff aber auf Position bleiben musste. Wenn es draußen krachte, brüllte, der Rumpf stampfte und rollte, kein Fortkommen möglich war. Eine abgeschottete Welt für einige Zeit, wie sie Siegfried Lenz in seinem mehrfach verfilmten Roman „Das Feuerschiff“ beschrieben hat – 45 Meter lang, sieben Meter breit. Ein Haufen Eisen mitten im Wasser. Die Tage an Bord blieben meist ohne viel Abwechslung. Zwölf Mann lebten damals auf der „Elbe 3“ im Zwei-Wochen-Rhythmus. Instandsetzung, Rost klopfen, Wetterbeobachtung – das war die Routine. In der Freizeit räucherten die Männer Aale oder bastelten kleine Seezeichen wie die Cuxhavener Kugelbarke, um sie an Kioske zu verkaufen. Heute steht in der Offiziersmesse immer noch ein Modell aus dieser Zeit. Die Wände sind dort aus dunklem Holz, das Messing der Petroleumlampen glänzt. Im Maschinenraum sind noch die alten, faustgroßen Sicherungen in den Schalttafeln eingebaut, große Hebel, die man mit der gesamten Hand umlegen muss, statt kleine Tippschalter setzen Funktionen in Gang. Ein Sechszylinder-Diesel aus den 30er-Jahren arbeitet dort. Die Kommandos von der Brücke werden über den mechanischen Maschinentelegrafen übertragen.

Wenn Peters oben den Hebel auf „Voll Voraus“ setzt, klingelt es hier unten, der Maschinist bestätigt und steuert dann die Maschine. Von vorwärts auf rückwärts, von schnell auf langsam – das geht nur mit Zeitverzögerung. Da könne man eben nicht so „schneidig“ fahren, sagt Peters. Die Paraden auf dem Hafengeburtstag, das Manövrieren mitten im Gewusel der vielen Schiffe – das ist für ihn daher Schwerstarbeit. „Danach ist alles Pippifax“, sagt er. Die Maschine ist erst um 1936 eingebaut worden, als der frühere Segler umgerüstet wurde. Damit reagierte man auf ein verheerendes Unglück auf einem Feuerschiff in der Nordsee. An der eigenen Ankerkette hatte es sich im Sturm quasi selbst in die Tiefe gezogen durch die heftigen Rucks. Mit einem Motor sollten sich die Feuerschiff-Mannschaften fortan in solchen Fällen retten können. Dennoch gab es immer wieder Unfälle und Havarien mit großen Frachtern in der Deutschen Bucht. Rammings, wie Seeleute sagen. Die „Elbe 3“, die in ihren ersten Jahren in der Wesermündung eingesetzt war, hatte in ihrer Dienstzeit Glück. Schwere Unfälle gab es nie.

Wenn nötig, könnte die „Elbe 3“ sofort wieder ihre alte Position einnehmen

Seit dem frühen 18. Jahrhundert waren Feuerschiffe in Europa im Einsatz, zuerst in England. Seit 1774 gab es sie auch in der Elbmündung, dort dienten sie oft auch als Lotsenstation. Auf der „Elbe 3“ sind heute noch Lotsenkammern vorhanden, mit dunkler Holzverkleidung und kleinem Waschbecken.

Am 4. Mai 1979 schenkte der Bund zum 790. Hafengeburtstag dem damals noch neuen Museumshafenverein die „Elbe 3“. Seitdem wird es von einer ehrenamtlichen Truppe restauriert und instand gehalten. Knapp 30 Mitglieder hat der „Elbe3“-Förderverein heute, neue Mitstreiter werden immer auch gesucht, sagt Peters, der vor mehr als 20 Jahren schon dazugekommen ist. Finanziert wird die Arbeit zu größten Teilen mit Gästefahrten, sogar bis Norwegen war das Schiff schon unterwegs. Die alten Signalanlagen, sogar das automatische Nebelhorn, die Möbel, die Einrichtung – alles ist heute wieder so wie in den 1930er-Jahren.

„Und alles funktioniert auch“, sagt Kapitän Peters. Sollte es notwendig sein, könnte die „Elbe 3“ heute sofort wieder ihre alte Position beim Mittelgrund in der Elbmündung einnehmen, sagt er. Bei jedem Wetter. Und wahrscheinlich würde ihn das sogar reizen.