„Der Rock ist in seinen besten Jahren“, sagte uns Marius Müller-Westernhagen bei einem Treffen im Mai in Berlin. Lässig lümmelte der dünne Hering auf einer Couch im Promi-Restaurant Borchardt, wenige Meter weiter hielt der Vizekanzler Hof, nun, ja. Man könnte bei diesem Bild wieder das alte Klischee von Westernhagen als „Armani-Rocker“ bemühen. man kann es aber auch guten Gewissens lassen.

Denn sobald Westernhagen zurück auf der Straße ist, singt er nach wie vor nicht schön, aber geil und laut. Ob jetzt am 8. Oktober in der Barclaycard Arena oder wie im April 2014 in der Großen Freiheit, als der Marius sein neues Album „Alphatier“ bei einem Clubkonzert vorstellte. Wie gesagt, geil und laut, dafür sorgt die Band, die ihn seit einigen Jahren begleitet. US-Boys mit dem Gespür für donnernde Grooves und raspelnde Gitarren, auf denen Marius herumtoben und akustische Hobelspäne aus rauer Kehle spucken kann.

Natürlich wird es schwer, die besondere Atmosphäre der Großen Freiheit oder der Markthalle, in der Westernhagen 1980 spielte („Der Saal war überfüllt, es gab effektiv keine Luft mehr im Raum“) in die funktionale Großarena zu übertragen. Der Gastgeber hat zumindest die Ambition: „Wir haben die Videoleinwände so konzipiert, dass sie Räume erzeugen, ohne von der Musik abzulenken.“

Und auch das Programm wird sich natürlich nicht auf die Lieder von „Alphatier“ konzentrieren, sondern den Querschnitt seiner langen Karriere präsentieren. Das Debütalbum „Das erste Mal“ erschien vor 40 Jahren, und seitdem ist einiges passiert. „Lieben werd’ ich dich nie“, „Fertig“, „Krieg“, „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“, „Taximann“ oder „Johnny W.“ fehlen selten, aber es ist kein Geheimnis, dass Westernhagen mit vielen seiner Hits hadert. „Willenlos“ zum Beispiel ist für ihn „im Grunde genommen ein Popsong. Ein guter Popsong, aber ein Popsong.“ Und „Dicke“ wurde seit zehn Jahren nicht mehr gespielt, „mir fällt einfach kein Weg mehr ein, wie ich diese Komposition interessant interpretieren könnte.“

Nicht anders ist es mit „Freiheit“: „Ich weiß auch nicht, ob ich es im Oktober spielen werde. Ich habe ein Problem mit Liedern, die eine Bedeutung erlangen, an die man vorher nicht gedacht hat. Das kann peinlich werden, wenn man im Fernsehen Bands sieht, die noch nach Jahrzehnten nur diesen einen Song spielen. Das hat so einen nostalgischen Touch, den ich überhaupt nicht mag. Ich will doch weiter lernen und etwas für mich mitnehmen.“ Wenn, dann spielt er es aus Entgegenkommen.

Aber: Das kann er auch lassen. Es gibt genug Songs auf „Alphatier“, die besser sind. „Halt mich noch einmal“ könnte das neue „Freiheit“ werden. Das zeigt sich schon vor 18 Monaten. In der Freiheit, der Großen.

Westernhagen, BenjRose Do 8.10., 20.00, Barclaycard Arena, Sylvesterallee 10, Karten ab 46,50 bis 92,50 an der Abendkasse