„Mir scheint, die Mehrheit der Klassikhörer bekommt nicht genügend Sex. Es ist nur ihr Rücken. Entspannt euch mal!“ lautet einer der Kommentare unter einem YouTube-Video von Khatia Buniatishvili. Etwas weiter unten heißt es: „Nur weil diese Frau gut aussieht und sich anzuziehen weiß, heißt das nicht, dass sie das nur tut, um ihre angebliche Inkompetenz zu verbergen.“

Fast 1,5 Millionen Mal ist dieses Video bisher geklickt worden. Und nahezu 2000-mal kommentiert. Kein dreiminütiger Pop-Song wohlgemerkt, sondern ein Live-Mitschnitt von Schumanns Klavierkonzert, knapp 40 Minuten lang. Nun kann es natürlich sein, dass das Interesse der Online-Community am Werk des großen Romantikers bisher unterschätzt wurde und sich hier zeigt, wie wild die Welt auf Schumann ist. Andererseits liegen die Klickzahlen weiterer Mitschnitte des Stücks (Argerich, Grimaud, Kempff) eher im mittleren fünfstelligen Bereich, was dann doch – so oder so – für Khatia Buniatishvili spricht. Die ist in diesem Video nämlich in einem langen weißen, hautengen Kleid mit weitgehend freier Rückenpartie zu sehen. Ein schöner Anblick, fürwahr, und der interessiert offenbar auch Menschen, die sonst nicht unbedingt mit Opuszahlen jonglieren oder sich in der Welt der Klassik zu Hause fühlen. Sex sells, na klar.

Das kann man natürlich kritisieren und bei Veranlagung zur Hysterie gar, wie manche YouTube-Gucker, zum Untergang des (klassischen) Abendlandes stilisieren, Fakt bleibt aber: Khatia Buniatishvili setzt ihre Waffen für eine gute Sache ein. Und sie ist kein Klassik-Püppchen, das interpretatorische Schwäche durch tiefe Einblicke zu verdecken sucht. Musikkritiker vergleichen die 1987 geborene Georgierin sogar mit der jungen Martha Argerich, die über Khatia Buniatishvili sagt, sie sei „eine Pianistin mit außerordentlichem Talent“. Als solche hat sie bislang drei CDs veröffentlicht: ein Liszt-Album, unter anderem mit der h-Moll-Sonate, ein Chopin-Rezital, das neben der Sonate in b-Moll auch das Klavierkonzert Nr. 2 enthält, und zuletzt „Motherland“ mit vielen kleinen Sahnestücken etwa von Bach, Debussy, Ligeti, Ravel, Scriabin und Pärt.

In der Laeiszhalle wird Khatia Buniatishvili Werke von Ravel und Strawinsky, vor allem aber von Franz Liszt spielen, über den sie im Booklet ihrer Debüt-CD schreibt: „Ich habe immer gewusst, dass meine erste Aufnahme ein Porträt von Liszt sein würde, dass er der Einzige zu sein scheint, bei dem es mir möglich ist, die vielen Facetten meiner Seele in ihrer Einheit zu präsentieren.“ Denn: „Er war Teil des Universums und trug das Universum in sich.“ Das klingt ein wenig pathetisch, zugegeben, doch wer Khatia Buniatishvili einmal live erlebt, merkt schnell, dass sie tatsächlich fühlt, was sie schreibt. Und da ist ganz egal, welches Kleid sie gerade trägt.

Khatia Buniatishvili Do 6.10., 19.30 Uhr, Laeiszhalle, Johannes-Brahms-Platz, Karten zu 15 bis 45 Euro (zzgl. Gebühren) unter T. 30 30 98 98