Du musst es fühlen. In seiner ersten Szene sehen wir Russell Crowe mit einer Wünschelrute durch ein ödes Land schreiten, bis er an einer Stelle stehen bleibt, gräbt und gräbt, bis er wirklich auf Wasser stößt. Und einen Brunnen baut. Später, wenn er aus dem australischen Outback ins Osmanische Reich gereist ist, schreitet er über das einstige Schlachtfeld von Gallipoli. Hält inne und weiß ganz genau, wo man nach den Gebeinen seiner gefallenen Söhne graben soll. Auf die erstaunte Frage eines Soldaten, wie er darauf komme, sagt er genau das: „Du musst es fühlen.“

Welch eine große Metapher: Fühlenmüssen. Innehalten. In die Tiefe gehen. Das muss der neuseeländische Filmstar Crowe diesmal nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Regisseur. „Das Versprechen eines Lebens“ oder, wie der Film im Original weit treffender heißt: „The Water Diviner“, Der Wünschelrutengänger, ist der – späte – Regie-Erstling des 51-Jährigen. Crowe geht, und das zeugt von Mut, gleich an ein nationales Trauma: die Schlacht von Gallipoli im Ersten Weltkrieg, die für die Australier und Neuseeländer zum Desaster wurde.

Auch das hätte man nun wieder als ein Heldenepos inszenieren können, wie es Crowe ja vor allem für Ridley Scott immer wieder gespielt hat. Aber auch da überrascht der Neuseeländer: Die ersten Bilder von der Front zeigen nicht die Australier, sondern die Türken. Wie sie erst vor dem Angriff zittern, wie sie dann doch über den Schützengräben ins Feld stürmen – und keine Gegner mehr finden. Weil die nach monatelanger Belagerung aufgegeben haben. Wenn später ein Australier betroffen bekundet, man habe dort 10.000 Mann verloren, wird ein Türke trocken entgegnen, bei ihnen seien es 70.000 gewesen.

Du musst es fühlen. Russell Crowe kennt sich nach 28 Jahren Karriere aus im Minenfeld des Film-Business. Und hat ganz offensichtlich wohl überlegt, mit welchem Stoff er antritt, um sich auch als Regisseur einzuführen. Gallipoli, das war 1915 die militärische Feuertaufe der einstigen britischen Kolonie, die erst acht Jahre zuvor ihre Unabhängigkeit vom britischen Empire erlangt hat. Noch heute wird alljährlich am 25. April, am sogenannten ANZAC Day, an die Gefallenen von Gallipoli erinnert, mit Gedenkfeiern und Militärparaden. Und viele Filme haben sich schon an dem ­Desaster abgearbeitet, am berühmtesten Peter Weirs „Gallipoli“ von 1981 mit Mel Gibson.

Crowe dagegen zeigt nur wenige Kriegsszenen. Er nähert sich dem Ganzen aus anderer Perspektive. Vier Jahre nach Kriegsende macht sich ein einfacher Farmer namens Joshua Connor auf, ein Versprechen einzulösen, das er am Grab seiner Frau gemacht hat. Die ist darüber verzweifelt, dass keiner ihrer drei Söhne aus Europa heimgekehrt ist. Er will nun wenigstens deren Leichen bergen. Aber der Zivilist, der sich da nach Gallipoli aufmacht, ist ein Dorn im Auge der britischen Besatzer. Sie wollen ihn unverzüglich heimschicken. Die Türken verstehen ihn ohnehin nicht. Wissen nicht einmal, was Gallipoli sein soll, heißt der Ort bei ihnen doch Çanakkale. Doch der türkische Major Hasan (Yilmaz Erdogan), der einst seine Soldaten hier gegen die Australier angeführt hat und nun beim Bergen der Leichen helfen muss, ausgerechnet er ist der Einzige, der den Farmer unterstützt.

Du musst es fühlen: Ein Drama zwischen den Fronten also, ein Film der Völkerverständigung, ein Film, der, so steht es im Abspann, allen gewidmet ist, „die verloren und namenlos geblieben sind“. Crowe spielt den Protagonisten selbst, macht dies aber mit einer Zurückhaltung und Selbstsicherheit, die eher erstaunt, wenn ein Star sich selbst in Szene setzt. Und Kameramann Andrew Lesnie, berühmt für seine „Herr der Ringe“-Filme, findet in seiner letzten Arbeit große epische Bilder dafür.

Aber so ganz hat der Regisseur und Hauptdarsteller seinem Stoff dann doch nicht getraut. Er fügt noch eine Annäherung an eine türkische Witwe hinzu, deren Mann ebenfalls gefallen ist. Zwei Verwaiste, zwei Verlorene finden sich. Olga Kurylenko ist zwar schön wie immer, aber als Türkin nicht eine Szene lang glaubhaft. Und Crowe, seien wir ehrlich, hat auch noch nie als Liebhaber überzeugt. Dieser Nebenstrang ist ärgerlich, lenkt er doch nur von dem Thema ab, um das es eigentlich gehen müsste, die Geschichte der beiden Männer und ihrer Schuldgefühle. Die des Farmers, dass er seine Söhne nicht zurückgehalten hat. Die des Majors, dass er seine Mannen in den Tod geschickt hat.

So gelungen die erste Stunde auch ist, nach und nach tritt Crowe dann doch in alle folkloristischen Fettnäpfchen, in die man treten kann. Zeigt Postkartenbilder von der Hagia Sophia, Derwischtänzen, einem Hamam-Besuch. Alles Ingredienzien, die bei keiner Istanbul-Reise fehlen dürfen. Kein Bohren in die Tiefe mehr, nur noch Oberflächenreize Und ausgerechnet bei dem einen Schlüsselmoment des Films versagt der Regienovize dann in Gänze. Was der gefühlsmäßige Höhepunkt sein müsste, wurde lapidar so dahingefilmt. Crowe hätte auch das alles fühlen müssen.

Das Versprechen eines Lebens AUS/TUR/USA 2014, 111 Minuten, ab 12 Jahren, Regie: Russell Crowe, Darsteller: Russell Crowe, Olga Kurylenko, Jai Courtney, täglich im Cinemaxx Harburg, UCI Mundsburg/Wandsbek