Manchmal dreht sich das Rad der Geschichte schneller als gedacht. Das war 2011 so, als in Deutschland, kurz nach der Explosion der Atomreaktoren im­ ­japanischen Fukushima, von höchster Regierungsstelle der Atomausstieg beschlossen und verkündet wurde. Das war so, als 2013 der schwedische Energiekonzern die „Vattenfall-Lesetage“ beendete. Und das ist so nach dem plötzlichen Tod von Günter Grass.

Der Literatur-Nobelpreisträger war einer der Köpfe von „Lesen ohne Atomstrom – Die Erneuerbaren Lesetage“. Bei der Premiere des nicht-kommerziellen Festivals im April 2011 zählte Grass neben dem Kieler Schriftsteller Feridun Zaimoglu, dem Journalisten Rainer Burchardt (früher NDR und Deutschlandfunk) und Punk-Röhre Nina Hagen zu den Mitbegründern – damals vor dem inzwischen stillgelegten AKW Krümmel. Zum fünften Jubiläum der Erneuerbaren Lesetage vom 22. bis 27. April hatte Grass für den 26.4. (20 Uhr) im Ohnsorg Theater zugesagt. Der Abend wird – am 29. Jahrestag der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl – nun Grass gewidmet: „Es ist für mich, als wäre ein Familienmitglied gestorben“, sagte Zaimoglu, der Grass’ Ballade „Netajis Weltreise“ lesen wird, eine der letzten Veröffentlichungen des Dichters. Nina Hagen wird mit „Klampfe“ Auszüge aus dem Werk Bertolt Brechts spielen.

Auch ohne Grass wirken noch immer fast 40 Persönlichkeiten bei elf Veranstaltungen mit, die unter dem zentralen Thema „Klimagerechtigkeit“ stehen. So eröffnet und diskutiert am 22.4. in der Patriotischen Gesellschaft Dennis ­Meadows als prophetischer Autor von „Die Grenzen des Wachstums“ (1972) mit der Klima-Aktivistin Vandana Shiva und Bill McKibben, dem Träger des Alternativen Nobelpreises.

Am „Welttag des Buches“, dem 23.4., treten im Theatersalon 2te Heimat die Krimi-Bestseller-Autorinnen Andrea Maria Schenkel („Tannöd“) und Simone Buchholz („Revolverherz“) im Doppel auf. Tags darauf wird es im Völkerkundemuseum bei der konzertanten Lesung von Charles Baudelairs „Blumen des Bösen“ lyrisch: Grimme-Preisträger Christian Redl rezitiert, Vlatko Kucan und Band spielen. Und zum Finale am 27.4. (jew. 19.30 Uhr) in der Fabrik lesen die Schauspielerinnen Natja Brunckhorst und Anna Thalbach erstmals gemeinsam aus dem großen Sachbucherfolg „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“.

Dazu kommen weitere Diskussionen und ein Kinderprogramm. Alle Veranstaltungen bietet der Verein Kultur für alle jeweils bei freiem Eintritt an.

Lesen ohne Atomstrom – Die erneuerbaren Lesetage Mi 22. bis Mo 27.4., verschiedene Orte, Einlass jeweils 30 Miin vor Veranstaltungsbeginn, Eintritt frei