Preisfrage: Was verbindet die auf englischen Volksliedern und -tänzen basierende Suite „A Time There Was“ für Kammerorchester von Benjamin Britten mit Martin Luther und der Reformation? Die Hamburger Symphoniker, die Brittens etwa 15minütiges Werk am heutigen Dienstag in einer öffentlichen Probe bei freiem Eintritt dem Publikum nahebringen wollen, verwenden für dieses „Close up“ genannte Format ihnen vom Bund gewährte finanzielle Mittel zur dramaturgischen Ausgestaltung der Lutherdekade – und sehen dazu beste Gründe. Das Orchester schreibt: „Britten stellt sich in die Tradition Luthers, der sich für viele Kirchenlieder beliebter Volksmelodien bediente, um sie auf religiöse Themen umzuwidmen. Auch das Close-up-Projekt möchte eine Distanz aufheben: Die Trennung von Bühne und Zuhörern.“

Um beide Welten einander anzunähern, bedienen sich die Symphoniker aufwendiger Videotechnik. Sieben Kameras auf der Bühne und zwei im Saal fangen das Probengeschehen hautnah ein und projizieren es, live geschnitten, auf eine große Leinwand über der Bühne. In Nahaufnahmen aus dem Bauch des Orchesters sollen Interessierte so teilhaben können am Entstehungsprozess einer Interpretation und an der Interaktion zwischen den Musikern und ihrem Chefdirigenten Jeffrey Tate.

Tate, intimer Kenner auch des Werks von Benjamin Britten, möchte mit „Close up“ Einblick geben nicht nur in seine Methode bei der Erarbeitung eines für das Orchester neuen Werks. „Wir werden die Hintergründe des Stücks erhellen, indem ich auch auf die Quellen zurückgehe, die Britten hier verwendet hat.“ Zu diesem Zweck soll eine Gesangsstimme die originalen Lieder vortragen, die Britten in seiner Komposition verarbeitet hat. „Und wenn ich mit einem Musiker spreche, kann die Kamera zeigen, was man sonst aus dem Parkett kaum sieht.“

Die Veranstaltung versteht sich ausdrücklich nicht als moderiertes Konzert, sondern als echte Probe. Womöglich hilft der Blick auf das ungeschminkte Gesicht eines Orchesters dabei, die Schwellenhöhe zwischen Bühne und Publikum zu senken. Solche „Close ups“ bot das Orchester zuletzt vor fünf Jahren an, und „wir haben darauf tolles Feedback vom Publikum bekommen“, sagt Tate. Der Probe folgt im übrigen kein reguläres Konzert: „A Time There Was“ ist ein Studienprojekt – auch fürs Orchester.

Close Up Di 21.4.,19.30 Uhr, Laeiszhalle, Johannes-Brahms-Platz, Eintritt frei