Wenn man Marianne Faithfull heute betrachtet, ist sie mit ihren 67 Jahren eine in Würde gealterte charmante Lady. Dass sie das Seniorenalter überhaupt erreicht hat, wagte in den 60er-Jahren niemand zu prophezeien. Sie hätte genauso ein frühes Mitglied des „Club 27“ werden können, also der Popstars, die im Alter von 27 Jahren gestorben sind wie zuletzt die drogensüchtige Amy Winehouse. Auch Faithfull, die Gespielin der Rolling Stones, hat eine intensive Drogen-Zeit hinter sich. „Sister Morphine“ vom Album „Sticky Fingers“ beschreibt ihre Sucht nach dem harten Stoff. Sie schrieb das Lied zusammen mit Mick Jagger und Keith Richards und nahm es später ebenfalls auf. Gerettet hat sich die in London geborene Sängerin erst Ende der 70er-Jahre nach einem erfolgreichen Entzug.

Damals gelang ihr auch ein erfolgreiches Comeback mit dem Album „Broken English“. Ihre helle Jungmädchenstimme war nicht zuletzt durch ihre Drogenabhängigkeit dunkler und rauer geworden. Sie war vom Leben gezeichnet und sie sang von den Abgründen, in die sie geblickt hatte. Mit dem fatalistischen „The Ballad Of Lucy Jordan“ gelangt ihr 1979 sogar ein Single-Hit. Begonnen hatte ihre Karriere bereits 1964, als sie das von ihrem Liebhaber Mick Jagger geschriebene „As Tears Go By“ sang. Immerhin sechs Alben hat sie in den 60ern aufgenommen, doch ihr Ruhm resultierte mehr aus den Schlagzeilen der Boulevardpresse als aus künstlerischen Beiträgen. Das änderte sich erst nach ihrem Comeback. Parallel zu der Arbeit als Sängerin fing Faithfull an, Theater zu spielen. Als Filmschauspielerin stand sie auch in den 60ern schon vor der Kamera, doch erst mit Streifen wie „Intimacy“ (2001) und „Irina Palm“ (2007) erntete sie überragende Kritiken.

Wenn sie jetzt auf Tournee geht und unter anderem am 26. November in Hamburg auf Kampnagel Station macht, feiert Lady Faithfull in diesem Jahr 50 Jahre Bühnenpräsenz. Genug Songs hat die Interpretin dafür zusammen, denn sie hat in den vergangenen Jahren eine Reihe weiterer beachtlicher Alben aufgenommen und mit jüngeren Musikern zusammengearbeitet – mit Pulp, Metallica, Patrick Wolf und bei „Before The Poison“ mit PJ Harvey und Nick Cave, mit dem sie ihre Drogenerfahrungen teilt.

In diesem Jahr ist mit „Give My Love To London“ ein aktuelles Album von Marianne Faithfull erschienen, in dem sie sich auch an ihre wilde Zeit in den „Swinging Sixties“ in ihrer Geburtsstadt erinnert. Doch London hat sie schon lange den Rücken gekehrt. Einige Jahre lang lebte sie in der irischen Hauptstadt Dublin, 2004 siedelte sie auf den Kontinent nach Paris über, inzwischen pendelt sie wieder.

Fast hätte es mit der Jubiläumstournee nicht geklappt, denn 2013 verletzte sich die Chanteuse schwer am Rücken, im Mai dieses Jahres brach sie sich in Griechenland bei einem Sturz die Hüfte. Aber Marianne Faithfull ist wie ein Stehaufmännchen. Was sie will, das setzt sie auch konsequent um. Zur Not an Krücken.

Marianne Faithfull Mi 26.11., 20.00, Kampnagel (Bus 172, 173), Jarrestraße 20, Karten ab 38,- im Vorverkauf; www.mariannefaithfullofficial.tumblr.com