Manchmal braucht es das Unvorhergesehene, um das Erhellende zu erleben. Da verkauft Michael Frowin, künstlerischer Leiter des Schiffs, den Premierenbesuchern des Hamburger Kulturdampfers allen Ernstes, dass das Ensemble nach der Voraufführung vom Vorabend noch im Stau stehe. Sogleich geraten unter lautem Gepolter drei Gestalten unters Deck und aufs Brettl. Der eigentliche Beginn eines turbulenten Theaterabends.

Manuela Albermann von Fisch Fiete (Margret Völker), der junge Fahrradkurier Herr Schmidt (Sebastian Prasse) und ein Herr Meise (Christian Bruhn) scheinen zu ihren Auftritt gekommen zu sein wie die Jungfrau zum Kinde. Und weil Meise beim unfreiwilligen Bad im Wasser auch noch von einer Nixe geküsst worden ist („Halb zog sie ihn, halb sank er hin“), sind sie fix bei Goethes „Der Fischer“ – in einem literarischen Programm, das sich gewaschen hat. Die Balladensammlung, so gibt Musen-Meise vor, habe er auf dem Grund des Nikolaifleets gefunden.

Dramaturgisch geschickt hat Imke Trommler (Buch und Regie), 2012 mit dem Rolf-Mares-Preis ausgezeichnet, im Programm „Und bist Du nicht willig“ einen Rahmen etabliert, in dem die drei Schauspieler vergessene oder längst vergessen geglaubte Balladen mit Leben erfüllen. Ob „Der Handschuh“ von Schiller oder Fontanes Lobpreisung des Steuermanns „John Maynard“ im Eriesee – wenn das Darstellertrio mit Mützchen aus Zeitungspapier den bekannten Ausspruch „Und noch 15 Minuten bis Buffalo“ fallen lässt, erschließen sich Zitate im richtigen Kontext oder sogar gänzlich neu. Immer wieder springt das Ensemble von der Gegenwart in die Vergangenheit und wieder zurück.

Die drei Schauspieler – alle mit persönlicher Schiffs-Premiere – agieren und rezitieren homogen. Die nach Hamburg zurückgekehrte Margret Völker, bisher vor allem als Fernsehschauspielerin („Tatort“, „Aus heiterem Himmel“) bekannt, überzeugt etwa mit Höltys „Die Nonne“, aber auch im Duett mit Prasse bei Goethes „Totentanz“, wenn beide im abgedunkelten Kahn die ganze Länge des Unterdecks nutzen. Im zweiten Teil haben die drei vermeintlichen Schiffs-Eindringlinge ohnehin längst die Schauspielerrollen angenommen, sorgen mit roten Mützen und blauen Schürzen in August Kopischs „Heinzelmännchen“ für Lacher, gestalten den Übergang zu Heines „Loreley“ fließend, kommen mit Detlev v. Liliencrons „Pidder Lüng“ rauf bis in nordfriesische Gefilde und mit Kurt Schwitters „Die Nixe“ quasi zurück zum Ausgangspunkt.

Nicht erst bei Schillers „Glocke“ in einer flotten Rap(!)-Version als Zugabe ahnt man: So hätte Deutschunterricht früher noch mehr Spaß bringen können. Eine Schulklasse hat sich dem Vernehmen nach schon auf dem Schiff angemeldet. Wohl denen, die solch schlaue Lehrer haben ...

„Und bist Du nicht willig“ So 21.9., 2./3.10., 14./15.11., 25./26.12., 28./29.1.2015, jeweils 18 Uhr, Das Schiff, Holzbrücke 2, Karten unter T. 69 65 05 60