Man fragt sich schon, warum die Scorpions erst 2013 und damit fast 50 Jahre nach Gründung der Band im Rahmen von „MTV unplugged“ aufgetreten sind. Schließlich hatten Klaus Meine und seine Jungs schon 2001 für die „Acoustica“-Platte den Strom abgestellt, 2000 bei der Expo in Hannover mit Orchester gespielt und auch sonst in all den Jahren so ziemlich alles ausprobiert, was eine Rockband machen muss oder glaubt, machen zu müssen.

Alles war dabei, Konzerte in winzigen Clubs, in riesigen Stadien, vor und hinter dem Eisernen Vorhang, zwei Mal in Wacken, und auch das Thema Abschiedstournee inklusive Rücktritt vom Rücktritt ist längst erledigt. 2013 also spielten sie drei Akustikkonzerte im Athener Lycabettus-Amphitheater, generierten daraus das Album „MTV Unplugged – Live in Athens“ und die Inspiration für eine entsprechende Stromlos-Tournee, die heute auch vor der Hamburger O2 Word die Trucks parkt.

Dort waren die Scorpions 2010 zum ersten und – damals – letzten Mal aufgetreten und zeigten zwei Stunden lang, warum sie auch international neben Rammstein die erfolgreichste deutsche Hardrockband waren und sind. In den 80er-Jahren, als hier noch NDW und Schlager und natürlich die Herrschaften Maffay, Grönemeyer, Westernhagen die Charts dominierten, eroberten Klaus Meine und die Gitarreros Rudi Schenker und Matthias Jabs, Bassist Francis Bucholz (heute: Paweł Mąciwoda) und Schlagzeuger Herman „ze German“ Rarebell (heute: James Kottak) mit fetten Krachern wie „The Zoo“, „Big City Nights“, „Rock You Like Hurricane“, „Blackout“ oder „Dynamite“ weltweit die Herzen der Rocker, in Fernost waren sie schon in den 70er-Jahren eine Hausnummer.

Und auch den Mainstream bekamen sie klein mit jener Art Songs, die Jan Delay auf seinem aktuellen Album nicht von ungefähr „Scorpions Ballade“ nennt. Kuschelrock-Heuler, zarte Saiten, „Still Loving You“, „When The Smoke Is Going Down“, „Lady Starlight“. Oder „Wind Of Change“ und „Send Me An Angel“. Grauenhaft klebrig für die einen, Retter der Feuerzeug-Benzin-Industrie für die anderen. Der Ruf der Band sowohl bei Fans als auch bei Kritikern ist wohl verdient, die Fronten verhärtet. Wobei auch viele, denen schon beim Auftaktpfeifen von „Wind Of Change“ die Magensäure in den Fahrstuhl nach oben steigt, zugestehen, dass zumindest die Alben aus den 70er-Jahren zeitlose Klassiker sind. „In Trance“, „Virgin Killer“, „Taken By Force“ – klasse. In keinem deutschen Rocksong dürfte besser Gitarre gespielt worden sein als von Uli Jon Roth bei „The Sails Of Charon“.

„MTV Unplugged – Live in Athens“ ist auch ein im Wortsinn akustischer Querschnitt durch die Scorpions-Jahrzehnte. Da sind die 70er-Jahre, als sich die Gruppe vom Krautrock Marke Can und Amon Düül II emanzipierte: „Pictured Life“, „Speedy’s Coming“, die Uralt-Ballade „Born To Touch Your Feelings“ und „In Trance“. Die 80er und der Aufbruch in die Arenen mit „Blackout“, „Can’t Live Without You“, „Passion Rules The Game“, „Big City Nights“ oder „No One Like You“. Die finsteren 90er mit „Wind Of Change“, „Where The River Flows“ und „When You Came Into My Life“ und die Neuzeit mit „Sting In The Tail“ und die brandneuen Songs „Dancing With The Moonlight“ und „Rock‘n‘Roll Band“. Das alles wird eingebettet in einen Sound zwischen Bluesrock, Hillbilly und Rumtata.

Stromgitarren sind doch eine schönere Sache, aber die Unplugged-Sessions hatten trotzdem neben einigen noch nie live gespielten Liedern viele Überraschungen parat. So sangen die Hamburger Gäste Cäthe bei „In Trance“ mit, Johannes Strate bei „Rock You Like A Hurricane“ und Ina Müller bei „Where The River Flows“. a-ha-Stimme Morten Harket half bei „Wind Of Change“ aus und der Schenker-Rudi ging bei „Love Is The Answer“ persönlich zum Singen an das Mikro.

Vielleicht schauen Cäthe, Johannes oder Ina auch in Hamburg auf der Bühne vorbei. Zumindest wird es ein Abend für Freunde der Powerballade und der eher leiseren Töne. Und wenn ein Song an diesem Abend schon „The Best Is Yet To Come“ heißt: Ex-Scorpions-Saitenbieger Uli Jon Roth gastiert am 3. Oktober in der Fabrik. Auf seinen aktuellen Setlisten sind fast nur Scorpions-Klassiker aus den 70er-Jahren. Von „Catch Your Train“ bis „Fly To The Rainbow“. Herrlich!

Scorpions unplugged Fr 2.5., 19.30 Uhr, O2 World, Sylvesterallee 10, Karten ab 48,50 im Vorverkauf unter www.eventim.de