Ob sie nun Truck Stop heißen, Texas Lightning, Gunter Gabriel oder auch The BossHoss: Wenn es um Country und Western-Rock aus Deutschland geht, stellt sich oft die Frage, wie authentisch eigentlich so ein Cowboy aus Hamburg oder Berlin sein kann. Aber bitte: Karl May schrieb seine Romane über Winnetou und Old Shatterhand ja auch, ohne einen Fuß in den Wilden Westen gesetzt zu haben – und schuf dennoch gute Unterhaltung.

Und spürbaren Spaß an der Sache haben auch Boss Burns und Hoss Power alias Alec Völkel und Sascha Vollmer, jenes Duo, das derzeit wieder in der TV-Castingshow „The Voice of Germany“ mit rauem Charme nach Stimmen sucht, die besser sind als ihre. Das ist eigentlich nicht wirklich schwer, aber wenn es um Entertainment-Qualitäten und enthemmtes Abliefern auf der Bühne geht, sind die beiden Berliner mittlerweile schon seit fast zehn Jahren eine Macht. Egal, was an diesem Mittwoch ab 20 Uhr beim BossHoss-Konzert in der Sporthalle Hamburg (Krochmannstr. 55) passiert – auf den Pianisten wird keiner aus dem Hexenkessel vor der Bühne ballern.

„Die Idee zu dem Country-Ding kam uns in ‘ner Kneipe und sollte eigentlich nur ein Spaßprojekt werden. Unsere erste Gage war eine Kiste Bier“, erzählte Boss Burns der „Bild“. Und dieses Country-Ding folgte den Vorbildern von Leningrad Cowboys, Handsome Hank oder Dick Brave & The Backbeats: Bekannte Pop-Hits werden mit den Stilmitteln eines völlig anderen Genres vermengt, eine Art illegale Schnapsbrennerei inklusive Etikettenschwindel, wenn man so will. Und am Ende steht eine Party.

Stampfende Rhythmen, kernige Gitarren

Schon nach wenigen Auftritten wedelt der Platten-Tycoon Universal mit einer Handvoll Dollar, und 2005 steht das Debütalbum „Internashville Urban Hymns“ in den General Stores. Den Liedern von Beastie Boys („Sabotage“), Jimi Hendrix („Hey Joe“) und Outkast („Hey Ya“) wurde der Stetston übergestülpt, auch die unvermeidliche Stadionhymne „Seven Nation Army“ von The White Stripes durfte nicht fehlen – und „Internashville Urban Hymns“ schoss – im Gegensatz zu den sechs nachfolgenden Alben – nur ganz knapp an den Top Ten vorbei.

The BossHoss jedoch zählt zu den Bands, die auf den Brettern der Clubs und großen Hallen deutlich zwingender klingen als auf den Tonträgern. Stampfende Rhythmen, kernige Gitarren und ein ungebremster Zug zum Refrain sorgen für einen wüst galoppierenden Groove, bis es im Saal um Boss, Hoss Power und ihre Gang brodelt wie um General Custer in seiner letzten Schlacht.

Eine Richtung zwischen Pop, Rock und Glam

Und es muss betont werden, dass The BossHoss sich schon lange von der Idee der reinen Kopierkapelle gelöst hat. Schon auf dem zweiten Album „Rodeo Radio“ (2006) überraschten die beiden ehemaligen Werbegrafiker mit der Tatsache, dass sie nicht nur irgendwas mit Medien machen konnten, sondern auch Songs schreiben. Wer „Mary Merry Me“ oder „I’m On A High“ hörte, hat vielleicht nicht mal gemerkt, dass diese Songs nicht wie „You’ll Never Walk Alone“ oder „I Say A Little Prayer“ aus fremder Feder stammten.

Auf dem vor wenigen Tagen erschienenen „Flames Of Fame“ finden sich nur noch Eigenkompositionen, und auch wenn sich The BossHoss sicher ist, dass Gott Cowboys liebt („God Loves Cowboys“), so wurde auch die reine Country-Crossover-Schiene verlassen und eine Richtung zwischen Pop, Rock und Glam eingeschlagen. So mancher Fan der ersten Stunden dürfte den fehlenden „Yeehaw“-Faktor wohl schmerzlich vermissen.

Aber wie gesagt: Auf der Bühne ist nicht im Studio. Und auch die Vorband, die australischen Newcomer The Graveltones, klingen vielversprechend: Blues’n‘Roll zwischen John Lee Hooker und Queens Of The Stone Age. Jau! Eintritt: 35 Euro.