Welche Freude es macht, in einem preisgekrönten Orchester Gitarre zu spielen, hat Marlies Fischer bei den Proben des Juniorteams vom JugendGitarrenOrchester Hamburg erfahren.

Und jetzt noch einmal von Takt 131.“ Freundlich und energisch gibt Christian Moritz seine Anweisungen. Elf Kinder schauen konzentriert zu ihrem Dirigenten und auf die Noten der „Pequeña Suite Andina“ von Andres Villamil. Einmal Luft holen, dann sitzen die Griffe auf den Gitarren. Die Akkorde stimmen, und Christian Moritz ist zufrieden mit dem Juniorteam vom JugendGitarrenOrchester Hamburg (JGOH).

Zwischen acht und 14 Jahren sind die neun Jungen und zwei Mädchen, die in Klein Borstel für das Konzert an diesem Sonnabend in der Laeiszhalle üben. Sechs Stücke werden die elf Musikanten spielen. Der jüngste ist Gabriel. „Ich bin seit einem Jahr im Orchester“, sagt der Achtjährige. Seit zwei Jahren spielt der Drittklässler Gitarre, hat Unterricht und probt im Ensemble. „Das macht mir sehr viel Spaß.“ Gesunde Konkurrenz hat Gabriel in der Familie. „Mein Bruder Jakob ist im großen Orchester und spielt besser als ich. Aber der ist ja auch schon elf.“

Aus aktuellem Anlass stehen auch Weihnachtslieder auf dem Programm; „Tochter Zion“, „Feliz Navidad“ und „The Little Drummer Boy“. Wieder und wieder werden die Akkorde des letzten Stückes geübt, bis sie gut klingen.

Auch Line hat im Juniorteam ihre musikalische Heimat gefunden. „Nach den Sommerferien habe ich hier angefangen“, sagt die Elfjährige. „Es läuft super, und mit den ganzen Jungs verstehe ich mich auch.“ Seit fünf Jahren zupft die Sechstklässlerin die Saiten und übt auch regelmäßig. „Manchmal spiele ich zusammen mit meiner Mutter.“ Wegen des Konzerts ist Line schon ein bisschen aufgeregt. „Aber ich freue mich auch drauf.“ Dem gleichaltrigen Conrad geht es ebenso. „Ich finde es toll, dass wir dann alle gleich aussehen.“ Bordeauxrotes Hemd und schwarze Hose sind die Konzertkleidung des Orchesters.

Angefangen hat alles 1997. Da integrierte Christian Moritz als Diplom-Musiklehrer seinen Gitarrenkurs in den regulären Wahlpflichtunterricht. „Mittlerweile hat sich aus dem ursprünglich reinen Schulorchester ein für alle zugängliches Orchester entwickelt“, sagt der 46-Jährige. „Aus dem Albert-Schweitzer-Jugend-Gitarrenorchester wurde 2006 das JugendGitarrenOrchester Hamburg.“

Einzige Zugangsvoraussetzung für die Teilnehmer: Die Kinder und Jugendlichen müssen Gitarre spielen und Noten lesen können sowie an den regelmäßigen Proben teilnehmen. Wer erst einmal ausprobieren möchte, ob das Orchester-Hobby passt, kann sich beim JGOH eine Konzertgitarre ausleihen. „Dank der Unterstützung der Haspa-Musikstiftung sind wir da gerne behilflich“, sagt Christian Moritz. Eine gute Konzertgitarre, die es wie Geigen in verschiedenen Größen gibt, kostet um die 300 Euro.

Ihr Können stellen die Musikanten bei Konzerten, auf kleinen Tourneen, bei CD-Produktionen, Workshops und Wettbewerben unter Beweis. Einige der Größeren aus dem JGOH wirken auch in Bands mit. „Wer Gitarre spielen kann, wird oft von den Mädchen umschwärmt“, sagt der Musiklehrer lächelnd. 2012 war das JGOH Hamburgs einziger Preisträger beim deutschen Orchesterwettbewerb. Und bei „Jugend musiziert“ erspielten sich die Gitarristen in den vergangenen Jahren mehr als 130 Preise.

Einer der Gewinner ist Paul. Der 17-Jährige wurde in diesem Jahr Zweiter bei „Jugend musiziert“ auf Bundesebene. „Ich spiele seit acht Jahren im Orchester und will Musik studieren, mein Hobby zum Beruf machen“, sagt der Elftklässler und schlägt Akkorde an.

Im JGOH spielen 17 Gitarristen, darunter zwei Mädchen, zwischen neun und 29 Jahren. Fast der Senior ist Matthias mit seinen 27 Jahren. Längst arbeitet er als Erzieher, aber dem Orchester bleibt er treu. „Ich bin Gründungsmitglied“, sagt der junge Mann. „Mir ist das alles sehr vertraut, und es macht sehr viel Freude, wenn immer wieder Musiker nachkommen und etwas Neues entsteht.“ In der Kita spielt er ebenfalls gern Gitarre, sehr zur Freude der Kinder. „Da bin ich dann immer der Held.“

Musikmachen ist soziales Miteinander. „Es ist immer toll zu sehen, wie sich die Großen um die Kleineren kümmern und wie sich die Kleinen an den Großen orientieren“, sagt Christian Moritz und lobt das vielseitige Orchesterleben. Immer gehe alles von den Kindern und Jugendlichen aus. „CD-Produktionen und Aufführungen organisieren die jungen Musiker selbst. Wir fühlen uns wie eine Band.“

Nach dem Konzert ist vor dem Konzert. Und im Frühjahr 2015 steht für das JGOH ein weiterer Höhepunkt auf dem Programm: Dann spielt das Orchester zusammen mit dem weltberühmten und Grammy-prämierten Los Angeles Guitar Quartet im Rolf-Liebermann-Studio des NDR.

Christian Moritz selbst greift beim JGOH nicht in die Saiten. „Ich fühle mich eher wie der Trainer einer Fußball-Jugendmannschaft. Der steht ja auch nicht auf dem Platz, sondern feuert vom Spielfeldrand aus an.“ Sagt’s, nimmt den Taktstock und hebt die rechte Hand. „Und bitte noch einmal von Takt 131.“