Das haben wir Torsten Meiners gefragt, der sich sehr über dieses Interview gefreut hat. Iris Hellmuth hat er von seinem Leben erzählt.

Wenn Torsten Meiners durch die Stadt geht, dann sieht er aus wie ein ganz normaler Mensch. Er trägt eine Jeans, eine Tasche und eine rote Jacke. Aber Torsten Meiners ist anders als die meisten Hamburger: Er muss auf der Straße leben und schläft in der dunklen Tiefgarage eines Hauses, das gerade nicht weitergebaut wird. Wie lange er dort bleiben kann, weiß er noch nicht.

Das war nicht immer so. Torsten Meiners ist 48 Jahre alt, aber natürlich war er auch mal ein Kind und hatte Mutter und Vater und ein schönes Dach über dem Kopf. Als er groß war, ist er nach Hamburg gezogen, Geld verdiente er sich als Fahrradkurier. Aber dann wurde er spielsüchtig. Wenn Menschen diese Krankheit haben, dann spielen sie um viel Geld, zum Beispiel Roulette oder Poker. Sie hören auch dann nicht auf, wenn sie kein Geld mehr haben, und machen Schulden. So ist erging es auch Torsten Meiners. Darüber spricht er ganz ehrlich. Eines Tages war es so schlimm, dass er die Miete seiner Wohnung nicht mehr bezahlen konnte.

Sieben kalte Winter hat er schon auf der Straße verbracht, jetzt beginnt sein achter. Torsten Meiners hat zwei gute Schlafsäcke. In der Tiefgarage gibt es auch eine Steckdose, sodass er sich abends mit einem Wasserkocher noch eine Wärmflasche machen kann. Man könnte fast denken, dass er es doch eigentlich ganz gut hat, weil er so lange schlafen kann, wie er will, und niemand ihm sagt, was er zu tun hat. Aber Torsten Meiners findet das nicht. Manchmal fühlt er sich wie ein Tier auf der Flucht. Er weiß nie, wie lange er an einer Stelle bleiben kann.

Zurzeit könnte er auch in einem richtigen Bett schlafen, weil es draußen so kalt ist und der Bürgermeister nicht möchte, dass Menschen in Hamburg erfrieren. Die Stadt nennt das Winternotprogramm. Da schlafen dann 160 Menschen in einem Haus, in dem es warm ist, aber auch sehr laut und anstrengend. Niemand übernachtet hier wirklich gern.

Torsten Meiners hat eine schöne Stimme und kann richtig toll erzählen. Er sieht viel jünger aus, als er ist. Er trinkt keinen Alkohol und raucht auch nicht. Wenn er lacht, dann wird es hell im Zimmer, selbst wenn es draußen gerade regnet oder stürmt.

Er hat ein Lieblingsbuch, es heißt "Ein mittelschönes Leben" und erklärt Kindern, warum Menschen auf der Straße leben. Mit diesem Buch ist Torsten Meiners vor Kurzem 100 Tage durch Deutschland gewandert. Bei jeder Schule auf seinem Weg hat er angehalten und aus dem Buch vorgelesen. Die Kinder fanden das toll, denn sie konnten ihm viele Fragen stellen, und Torsten Meiners hat sich auch gefreut, weil er den Kindern so erklären konnte, dass Menschen wie er nicht immer nur die "Penner" sind, die auf den Bürgersteigen herumhängen und stinken. Sondern Menschen, die nicht so viel Glück gehabt haben im Leben.

"Nach den Lesungen habe ich von den Kindern immer ganz viele Essenssachen bekommen, oder ich wurde in die Schulkantine eingeladen", erzählt Torsten Meiners. Dabei sieht er ganz glücklich aus. Und er sagt: "In diesen 100 Tagen habe ich viel gelernt. Nämlich dass man gar kein tolles Handy braucht oder schöne Klamotten, um sich gut zu fühlen."

Im Moment freut sich Torsten Meiners darüber, dass bald Weihnachten ist. Dann sind die Menschen in Hamburg nämlich netter zu ihm als sonst, sie grüßen ihn und fragen ihn sogar, wie es ihm geht. Für jeden Obdachlosen ist es nämlich ganz schlimm, wenn niemand ihn mehr grüßt, wenn alle so tun, als wäre er unsichtbar. Im Advent ist das aber anders, außerdem ist die ganze Stadt dann so schön geschmückt.

Torsten Meiners versucht, nie den Mut zu verlieren. "Solange einem andere Menschen helfen, kann das Leben immer wieder besser werden", sagt er. Vielleicht begegnet ihr ihm ja auch einmal. Wenn er Zeitungen auf der Straße verkauft, damit verdient er sich ein bisschen Geld. Dann steht er vor dem Ernst-Deutsch-Theater, wo er nach den Vorstellungen hilft, Gläser einzusammeln und aufzuräumen. Er wird sich bestimmt freuen, wenn ihr ihn ansprecht und sagt, dass ihr das hier gelesen habt.