Großer Bruder, große Schwester – Kinder können in mehreren Hamburger Geschwisterkursen lernen, was Babys brauchen und wie man mit ihnen umgehen sollte.

Ein bisschen zögert Lucas noch, als er den Raum betritt. Mamas Hand fest in der eigenen, wirft er einen Blick auf die Babypuppen, die in der Mitte des Raumes liegen. Susanne und Mandy, die beiden Krankenschwestern, begrüßen den Vierjährigen fröhlich. Denn auch, wenn Lucas’ Mutter einen richtig dicken Babybauch vor sich her trägt, ist an diesem Tag nicht sie die Hauptperson in der Elternschule des Krankenhauses Reinbek. Lucas und acht andere Kinder werden an diesem Vormittag auf ihre neue Rolle als großer Bruder und große Schwester vorbereitet.

Kurse auch schon für dreijährige Geschwisterkinder

Die dreieinhalbjährige Luisa schnappt sich sofort eine Babypuppe, die achtjährige Antonia hat eine eigene von zu Hause mitgebracht. Doch erst einmal setzen sich alle in einen Kreis und Susanne liest ein Conni-Buch vor. Das, in dem Connis Mama ein Baby bekommt. So können alle Kinder ein bisschen von sich und ihrem neuen Geschwisterchen erzählen. Ob es ein Junge wird oder ein Mädchen, und wo das Baby schlafen wird. Sven ist Experte – seine Mama hat gerade erst ihre Zwillinge bekommen. „Ich war sogar beim Ultraschall dabei!“, verkündet der Fünfjährige, als Mandy Bilder zeigt, auf denen zu sehen ist, wie sich das Baby im Bauch der Mutter entwickelt. Einmal im Monat bieten Susanne und Mandy den Kurs für Geschwisterkinder an. „Da es Vorbereitungskurse für Mütter gibt, haben wir uns gefragt, warum das nicht auch für Kinder so ist.“ Die kleinsten Teilnehmer sind drei, die ältesten zehn Jahre alt. Interessiert waren sie bisher alle, sagen Susanne und Mandy.

Die Kinder lernen, wie Babys gebadet und gewickelt werden

Auch an diesem Tag sind die Kinder mit Eifer dabei. „Was kann man tun, wenn das Baby weint?“, fragt Mandy. „Die Windel wechseln!“, rufen alle im Chor. Als nächstes werden die Plastikwannen hervorgeholt, die Babypuppen ausgezogen und gebadet. Natürlich ohne Wasser. Die beiden Krankenschwestern erklären den Kindern, wie man sich das Baby in den Arm legen muss, damit der Kopf gut gestützt ist. Hingebungsvoll waschen die Kinder ihre Schützlinge – zugegeben, mal mehr, mal weniger behutsam. Sven wäscht lieber gleich seine Kuschelgiraffe Greta, und die muss ganz schön was einstecken. Aber die Zwillinge wäscht zu Hause ja auch seine Mutter, er soll nur wissen, worauf man achten muss. „Es ist erstaunlich, woran sich die Kinder später erinnern“, sagt Mandy, die auch schon ihren Sohn im Kurs dabei hatte, als sie das zweite Mal Nachwuchs erwartete. Danach werden die Babypuppen allesamt gewickelt und angezogen, es wartet schon die Pause mit Gummibärchen und Apfelsaft. Und ein eigenes Namensarmband für alle Kinder – so ein ähnliches bekommt das Baby schließlich später auch.

Herztönen lauschen und Temperatur messen

Die Kinder dürfen anschließend tatsächlich auf die Neugeborenenstation, um sich einen Kreißsaal anzuschauen. Was für ein Glück, dass der dreijährige Lean sich nicht so recht von seiner Mutter trennen mochte – nun können alle Kinder einmal den Herztönen ihres Babys lauschen. Hört sich ein bisschen an wie ein galoppierendes Pferd, denn so ein Embryo-Herzlein schlägt sehr schnell: 120- bis 160-mal in der Minute! Die Kinder sind alle ganz still. Es kommt noch besser, denn danach dürfen sie sogar noch Baby Sophie einen Besuch abstatten, der Säugling ist gerade einmal einen Tag alt. Gemeinsam mit Sophies Mutter geht die kleine Gruppe in ein Zimmer, in dem erst einmal die Temperatur des Babys gemessen wird. Susanne zeigt den Kindern den Nabelschnurrest. Anschließend wird Sophie gewogen (schließlich muss kontrolliert werden, ob sie auch zunimmt) und dann gebadet. Auf Stühlen und Hockern stehen die Kinder um Susanne herum, die kleine Sophie gibt keinen Laut von sich. Erst, als ihr vorsichtig die Haare gekämmt werden, zeigt sich, dass das Mädchen gut bei Stimme ist. „Darf ich sie mal streicheln?“, fragt Leonie. Darf sie. Ganz vorsichtig, an der winzig kleinen Hand. „Gehen wir noch zu einem Baby?“, fragt Leonie. Susanne und Mandy schieben spontan noch einen Stopp bei Baby Luisa ein, ebenfalls einen Tag alt. „Wir werden alle Geschwisterchen“, stellt sich die Gruppe fröhlich vor.

Zum Abschied gibt es ein Geschwister-Diplom

Zurück im „Klassenzimmer“ erwartet die Kinder eine letzte Überraschung. „Haben wir denn auch alles gelernt? Können wir nun alles?“ Susanne blickt auf nickende Köpfchen. Und dann bekommen alle Kinder ihr eigenes Geschwister-Diplom, das sie ihren Eltern beim Abholen stolz präsentieren. Susanne und Mandy müssen nun ihren Spätdienst antreten – mal sehen, wie viele neue Babys an diesem Tag noch geboren werden. Und wie viele Kinder dann großer Bruder oder große Schwester werden.