Die Nacht auf St. Pauli verbringen, tanzen, feiern, Cocktails trinken - das ist nur das Vorspiel. Der Höhepunkt kommt am Sonntag Morgen an der Elbe: Fischmarkt in Altona

„Na, was ist mit dir, meine kleine Zuckerschnute?“ Um sechs Uhr dröhnt die Stimme von Aale-Dieter über den Platz. Der Mann heißt eigentlich Dieter Bruhn und verkauft seit 1959 Räucherfisch auf dem Fischmarkt. Um seinen Marktstand sammeln sich Schaulustige. Alle wollen dabei sein, wenn Aale-Dieter Leute anschnackt. Jetzt röhrt er wieder los. „Du sollst mal was essen, du siehst aus wie so'n Pfeifenreiniger!"

Am Fischmarkt geht die Sonne auf

Während der Händler seinen Kodiak-Wildlachs anpreist („Is ganz frisch, ich bin ja Aale-Dieter und nicht Gammel-Horst!"), schieben sich Ströme von Menschen über den Markt. Mädchen, die dick geschminkt und dünn angezogen sind. Touristen in Regenjacken. Eine Hochzeitsgesellschaft, das Kleid der Braut schleift durch die Pfützen. Gen Westen und großes Meer verlässt ein Containerdampfer den Hafen, im Osten Richtung Elbphilharmonie geht die Sonne auf.

Händler – ihr Name ist Programm

Es riecht nach Räucherfisch, aber an den meisten Ständen gibt es gar kein Meeresgetier. Stattdessen im Angebot: Kapitänsmützen, Kaninchenfutter, Yuccapalmen. Pferdebalsam, Franzbrötchen oder Brillengestelle. Und kiloweise Obst, für zehn Euro pro Korb. Einige Händler halten es wie Aale-Dieter: Sie lieben ihre Ware so sehr, dass sie zu einem Teil ihres Namens wird. Sie heißen Bananen-Fred, Nudel-Olli oder Fischerhemden-Uwe.

Um halb zehn ist Fofftein

Nebenan in der Fischauktionshalle spielt eine Coverband. „Beim nächsten Stück wollen wir, dass ihr erotisch tanzt“, sagt der Sänger ins Mikro. „Wer uns ordentlich anfixt, der kriegt einen Piccolo und ein Fischbrötchen!“ - dann erklingt Joe Cockers „You Can Leave Your Hat On". Der Trick funktioniert, die Tanzfläche ist so voll wie mancher Gast.

Als der Markt im Jahr 1703 gegründet wurde, mussten alle Waren vor dem Zehn-Uhr-Gottesdienst unters Volk gebracht sein, damit sie nicht verdarben. Aus dieser Zeit rührt die Tradition, mit dem Verkauf um fünf Uhr zu beginnen und um halb zehn die Stände abzubauen.

Aale-Dieter ist in Hochform

Der größte Andrang auf dem Fischmarkt herrscht eine Stunde vor Schluss. Aale-Dieter und seine Kollegen laufen dann zur Hochform auf. Sie haben einiges an Lebenshilfe parat: „Mein Junge", ruft Dieter, „du sollst dir mal was gönnen, so 'n Aal hat Omega-3-Fette, da krichste, sach ich mal, Schultern wie so'n Bär!“

Infos: Fischmarkt, Große Elbstraße/Fischmarkt Altona, 22767 Hamburg

Öffnungszeiten: So 5-9.30 Uhr (Sommer), So 7-9.30 Uhr (Winter).

ÖPNV: U 3/S 1/S 3, Haltestelle Landungsbrücken; S 1/S 3 Haltestelle Reeperbahn; Bus 112 Haltestelle Fischmarkt.