Alle wollen dabei sein, wenn Aale-Dieter Leute anschnackt und wenn er beginnt zu röhren: “Du sollst mal was essen, du siehst aus wie so'n Pfeifenreiniger!“

Hamburg. Auf dem Fischmarkt in Altona, sonntagmorgens um sechs. "Na, was ist mit dir, meine kleine Zuckererbse?" Der Ruf wird verursacht von den kräftigen Stimmbändern des Dieter Bruhn, genannt Aale-Dieter. Um seinen Marktstand hat sich ein kleiner Halbkreis von Schaulustigen geschart, aber keiner mag Räucherfisch kaufen. Alle wollen nur dabei sein, wenn Aale-Dieter Leute anschnackt. Jetzt röhrt er wieder los. "Du sollst mal was essen, du siehst aus wie so'n Pfeifenreiniger!"

Während der Händler seinen Kodiak-Wildlachs anpreist ("Is ganz frisch, ich bin ja Aale-Dieter und nicht Gammel-Horst!"), schieben sich Ströme von Menschen über den Markt. Mädchen, die dick geschminkt und dünn angezogen sind. Touristen in Regenjacken. Eine Hochzeitsgesellschaft, das Kleid der Braut schleift durch die Pfützen.

Es riecht nach Räucherfisch, aber an den meisten Ständen gibt es gar kein Meeresgetier. Stattdessen im Angebot: Kapitänsmützen, Kaninchenfutter, Yuccapalmen. Pferdebalsam, Franzbrötchen oder Brillengestelle. Und kiloweise Obst, für 10 Euro pro Korb. Einige Händler halten es wie Aale-Dieter: Sie lieben ihre Ware so sehr, dass sie zu einem Teil ihres Namens wird. Sie heißen Käse-Tommi, Nudel-Olli, Bananen-Fred oder Fischerhemden-Uwe.

Nebenan in der Fischauktionshalle spielt eine Coverband. "Beim nächsten Stück wollen wir, dass ihr erotisch tanzt", sagt der Sänger ins Mikro. "Wer uns ordentlich anfixt, der kriegt einen Piccolo und ein Fischbrötchen!" - dann erklingt Joe Cockers "You Can Leave Your Hat On". Der Trick funktioniert, die Tanzfläche ist so voll wie mancher Gast.

Als der Markt im Jahr 1703 gegründet wurde, mussten alle Waren vor dem 10-Uhr-Gottesdienst unters Volk gebracht sein, damit sie nicht verdarben. Aus dieser Zeit rührt die Tradition, mit dem Verkauf um fünf Uhr zu beginnen und um halb zehn die Stände abzubauen.

Der größte Andrang auf dem Fischmarkt herrscht eine Stunde vor Schluss. Aale-Dieter und seine Kollegen laufen dann zur Hochform auf. Sie haben einiges an Lebenshilfe parat: "Mein Junge", dröhnt es aus Dieters Kehle, "du sollst dir mal was gönnen, so 'n Aal hat Omega-3-Fette, da krichste, sach ich mal, Schultern wie so'n Bär!"

Erlebnis

Fischmarkt, Große Elbstraße/Fischmarkt Altona, 22767 Hamburg

Öffnungszeiten: So 5-9.30 Uhr (Sommer), So 7-9.30 Uhr (Winter).

ÖPNV: U 3/S 1/S 3, Haltestelle Landungsbrücken; S 1/S 3 Haltestelle Reeperbahn.

Geeignet für Frühaufsteher, Langewachbleiber, Fischbrötchen-Fans und Marktbummler, die sich gerne auch mal eine ganze Kiste Obst andrehen lassen.