Schmucke Schlossherberge in historischer Gutsanlage: In Schloss Marihn in Mecklenburg sitzt der Gast abends mit den Inhabern an einem Tisch.

Wer öfter mal in Frankreich Urlaub macht, weiß sie zu schätzen, die chambres d'hotes. So heißen privat geführte, familiäre Herbergen mit zumeist gutem Essen und oft einem sehr schönen, ländlichen Ambiente. Inzwischen findet man ähnliches auch in Norddeutschland, zum Beispiel in Mecklenburg, genauer: in dem kleinen beschaulichen Dorf Marihn in der Nähe von Waren. Hier hat sich das Ehepaar Forytta, das einige Jahre selbst in Frankreich verbrachte und dort bereits Gäste beherbergte, eine sehenswerte Unterkunft geschaffen.

Das Gebäude, im Jahr 2005 der Gemeinde abgekauft und neun Monate lang renoviert, nennt sich Schloss und liegt ein wenig versteckt hinter vielen hohen Bäumen des dazugehörigen Parks. Entdeckt hatte es Horst Forytta, der früher einen erfolgreichen Architekturverlag betrieb, nachdem er im MDR (der einzige bei ihnen in Frankreich empfangbare "Heimatsender") einen Beitrag über die Region sah und Lust auf die Gegend verspürte.

Freudig winkend begrüßt uns Schlossherrin Sonja schon von weitem. Sie hat frischen Wiesenkerbel im Garten geschnitten, um damit die vielen Blumengestecke im Haus zu verschönern. Auch die eine oder andere Zutat für die abends servierten Speisen stammt aus dem eigenen Anbau. "Hier war ein richtiger Dschungel, Wildwuchs ohne Ende", erzählt Sonja. Heute ist das 30 Hektar große Gelände, das ausschließlich ökologisch bewirtschaftet wird, eine einzige Augenweide. Es war sogar Außenstelle der Bundesgartenschau in Schwerin. In dem weitläufigen Park lässt sich wunderbar flanieren, hin und wieder kann man auf den schön geschnitzten Holzbänken eine kleine Pause einlegen. Überraschende Kontraste zu den Pflanzen schaffen die von der Künstlerin Sonja Kautz gearbeiteten großen Drahtfiguren, deren Wirkung sich mit dem jeweiligen Blickwinkel des Besuchers verändert. Auch der Wechsel von Tages- und Jahreszeiten sorgt für immer neue Effekte.

In Ermangelung des Originalinventars haben die Besitzer das Haus mit ihren Privatmöbeln ausgestattet. Diese stammen überwiegend aus der Biedermeierzeit und der Louis-Seize-Ära (vorrevolutionärer Klassizismus). Die hauptsächlich in Frankreich erworbenen Antiquitäten passen hervorragend in den hiesigen Schlossbau. Das Ehepaar bewohnt selbst einen Großteil der Räume im Erdgeschoss, während sich im oberen Stockwerk die nur sechs Zimmer und Suiten befinden.

Die Zivilisation ist weit weg, einen Fernseher sucht man vergebens

Dank der Einrichtung und der großzügig geschnittenen Räume erlebt der Gast in Marihn eine noble und fürstliche Schlossherberge mit französischem Flair, in der die hochherrschaftliche Wohnkultur vergangener Jahrhunderte wieder auflebt. Und durch die abgeschiedene und sehr ruhige Lage scheint die Zivilisation weit weg zu sein. Auch einen Fernseher sucht man hier vergebens.

Am Abend sitzen wir in der ebenso stilvoll eingerichteten Wohnküche der Schlossinhaber und lassen uns von der ambitionierten Hobbyköchin kulinarisch verwöhnen. Der frische Gartensalat mit Goldmelissensirup schmeckt wunderbar, ebenso der zarte Hirschbraten mit Spargel-Quiche und die Waldmeistermousse mit Erdbeeren. Aus der Ecke ist ein leises Schnarchen zu hören, es kommt von der Bernardiner-Labradorhündin Speedy, die gemütlich vor sich hin döst.

Am Morgen erwartet den Gast ein erlesen gedeckter Frühstückstisch, an dem alle Gäste Platz nehmen. Silberbesteck und wertvolles Porzellan gehören dazu, frische Brötchen, feinster Schinken, besondere Käsesorten, selbstgemachte Marmeladen und Bio-Joghurt stehen bereit. Nur auf die Eier von den berühmten Bresse-Hühnern müssen wir heute verzichten. "Die Hennen glucken", entschuldigt sich die Schlossbesitzerin. Und dabei will sie nicht stören.

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