Es ist das Gesetz der Kontinuität, das der Serie ihre Regelmäßigkeit vorschreibt. Früher nahm man brav jede Woche zur gleichen Zeit vorm Fernseher Platz, um sich die neuen Abenteuer der ans Herz gewachsenen Serienfiguren anzusehen. Dieses fast aus der Mode gekommene Gefühl erlauben heutzutage die Marvel-Studios ihrem Publikum, wenn
alle halbe Jahre ein neuer Teil ihres Cinematic-Universe im Kino startet, das abwechselnd bekannte Charaktere wiedervereint und neue Figuren einführt. Nach dem halben Klassentreffen „The Return Of The First Avenger: Civil War“ im April ist mit „Doctor Strange“ nun wieder ein neuer Comic-Held an der Reihe.

Bei dem „seltsamen“ Doktor handelt es sich um den hochbegabten Neurochir­urgen Stephen Strange, gespielt von dem britischen Charakterdarsteller Benedict Cumberbatch. Bei einem Autounfall wird das arrogante Genie so schwer verletzt, dass es seine begnadeten Hände nicht mehr benutzen kann. Auf der Suche nach Heilung reist er bis nach Nepal. Was er findet, ist ein magischer Orden, der unter der Leitung der Ältesten (Tilda Swinton) die Welt vor mystischen Bedrohungen bewahrt. Eine solche ist der abtrünnige Magier Kaecilius (Mads Mikkelsen).

Eine der größten Stärken der Marvel-Filme – und eine der entscheidenden gegenüber der Konkurrenz DC und deren Totalausfällen „Batman v Superman“ und „Suicide Squad“ – war schon immer, dass sie ihre Superhelden mit genügend charakterlicher Tiefe versehen, um dem Überlebensgroßen mit einer gewissen Erdung entgegenzuwirken: der Vaterkomplex von Iron Man, Hulks Angst vor sich selbst, Göttersohn Thors Familie.

Doch mit der Ursprungsgeschichte von Doctor Strange gelingt Regisseur Scott Derrickson für das Genre Außergewöhnliches. Im Stil eines zutiefst menschlichen Dramas verliert ein stolzer Gockel, was ihn am meisten auszeichnet. Der erfolgsverwöhnte Mann bricht komplett zusammen und verbarrikadiert sich nur noch mehr hinter seiner Arroganz. Gerade in diesen Szenen profitiert der Film von seinem Hauptdarsteller.

Auf diese ausführliche Charakterisierung folgt die mehr oder weniger übliche Formel der Ausbildung, die diesmal das Erlernen magischer Kräfte für den Kampf und das Reisen durch diverse psychedelisch gefärbte Welten beinhaltet – bis zu dem Punkt, an dem der einsichtige Held in der Lage ist, das Böse zu bekämpfen.

Was „Doctor Strange“ von anderen Marvel-Filmen absetzt: Die 3-D-Action in Form von Sprüngen durch verschiedene Dimensionen und Kämpfen in einer sich surreal verändernden Umgebung sorgt für visuellen Bombast. Völlig neu ist das Gezeigte zwar nicht, treibt es doch die Ideen moderner Sci-Fi-Klassiker wie „Matrix“ oder „Inception“ nur konsequent weiter, doch beeindruckend ist es allemal. Da fällt es in der Rückbetrachtung auch nicht allzu sehr ins Gewicht, dass „Doctor Strange“ sein Potenzial nicht ganz ausschöpft und stattdessen ­irgendwann in mystifiziertes Kauderwelsch abdriftet. Oder wie die mächtige, von Tilda Swinton gespielte Magierin es selbst sagt: Nicht alles muss Sinn ergeben.

„Doctor Strange“ USA 2016, 130 Minuten, ab 12 Jahren, Regie: Scott Derrickson, D: Benedict Cumberbatch, Chiwetel Ejiofor, Tilda Swinton, täglich im CinemaxxDammtor/Harburg/Wandsbek, Savoy, UCI Mundsburg/Othmarschen/Wandsbek, Zeise