Es war im Jahr 1991, als ein Roman mit dem etwas gehetzten Titel „Lauf, Jane, lauf!“ im Münchner Goldmann Verlag erschien. Die Autorin war Joy Fielding, eine Kanadierin, die bereits seit zehn Jahren ihre Thriller mit eher mäßigem Erfolg bei den Münchnern publizierte.

„Lauf, Jane, lauf!“ aber sollte das alles ändern. Der Psychothriller, der von einer Frau erzählt, die sich nach einem Unfall nicht mehr an ihr vorheriges Leben erinnern kann, ging durch die Decke und avancierte in kurzer Zeit zum internationalen Bestseller. Knapp zwei Millionen Exemplare hat Joy Fielding von ihrem Buch verkauft.

Seitdem gilt die 1945 in Toronto geborene Autorin als feste Größe im internationalen Thrillerzirkus. Am heutigen Dienstag ist sie zu Gast beim Harbourfront Literaturfestival: Im Uebel & Gefährlich an der Feldstraße liest sie aus ihrem aktuellen Roman „Die Schwester“.

Es ist ein klassischer Plot, den Joy Fielding in ihrem Buch entwickelt: Carole und ihr Mann planen, ihren Hochzeitstag in einem feudalen Hotel in Mexiko zu verbringen. Carole ist aufgeregt und voller Vorfreude, ihre zweijährige Tochter Samantha tritt die Reise natürlich mit an. Das Schöne wandelt sich zum Schrecken, in eine Hölle, abgrundtief: Eines Abends ist Samantha verschwunden, offenbar ist sie aus der Suite entführt worden. Alles Nachforschungen und Recherchen verlaufen im Sand. Die kleine Samantha bleibt verschwunden, und Carole ist eine gebrochene Frau. Es kommt, was kommen muss, denn darin ist Joy Fielding Spezialistin: Nach vielen Jahren erhält Carole den Anruf einer jungen Frau, die vorgibt, Caroles verschwundene Tochter zu sein. Ein Schock!

Die Wahrheit, die Carole nach und nach erfährt, ist nichts weniger als erschreckend. Caroles Welt, die einst so heil und sauber erschien, gerät restlos aus den Fugen.

Joy Fielding jongliert gekonnt und finessenreich mit den Ängsten ihrer Leser. Die raffinierte Dramaturgie ihrer Thriller mag sie auch einer ihrer früheren Tätigkeiten entlehnt haben: Fielding hatte bereits als Jugendliche kleine Theaterstücke geschrieben und war später als Schauspielerin in einer ganzen Reihe von Filmen aktiv. Auch da entwickelt man schließlich ein Gefühl für richtig dosierte Spannung. Als sie sich dann ganz dem Schreiben widmete, finanzierte sie anfangs ihr Leben, indem sie in TV-Spots mitwirkte. Der Kunst der Dramaturgie hat’s jedenfalls nicht geschadet.

Wie in „Die Schwester“ stellt Joy Fielding regelmäßig Frauenfiguren in das Zentrum ihrer Geschichten. Zumeist sind es Frauen, in denen ein Geheimnis ruht, nicht selten eines, das sie selbst gar nicht zu kennen scheinen. Wenn sich dieses Geheimnis eines dunklen Tages an die Oberfläche des Bewusstseins wühlt und dort langsam Gestalt annimmt, dann ist er da, der zuvor nicht vorstellbare Schrecken. Joy Fielding beherrscht die schreiberische Technik, dieses Prozesshafte des Bösen und des Unheilvollen in ihre Geschichten hinein zu weben.

Die deutschen Passagen während ihres Hamburger Gastspiels liest die Schauspielerin Suzanne von Borsody. Auch sie eine große Stimme.

Joy Fielding liest aus „Die Schwester“, deutscher Text: Suzanne von Borsody, Moderation: Margarete von Schwarzkopf, Di 27.9., 20 Uhr, Uebel & Gefährlich, Feldstraße 66, Eintritt 14 Euro