Es ist eine verzwickte Sache mit der Freundschaft. Einerseits sagt man: Freunde fürs Leben, völlig klar, aber wenn’s dann mal ernst wird ... tja, wo sind dann die vermeintlichen Freunde? Eben.

Ein Jahr lang hat sich die Hamburger Schauspielerin Gilla Cremer mit dem Thema Freundschaft beschäftigt, der Anstoß dazu kam offenbar, na klar, von einer Freundin. Cremer hat Wissenschaftliches gelesen, Gespräche ­geführt, sich hineingefühlt in die Materie – und daraus ihr Bühnensolo „# Freundschaft“ zusammengestellt. Am Mittwochabend feierte das Stück Uraufführung in den Kammerspielen.

Im bunten, mädchenhaften Kleid betritt Gilla Cremer die Bühne und nimmt – nach dem ironisch gefärbten Lied „Gut wieder hier zu sein“ von Hannes Wader – das Publikum mit auf eine Reise in die Antike, in der Freundschaft dem Gemeinsinn diente, nicht allein dem privaten Vergnügen. Über Mittel­alter, Renaissance und Romantik geht es im großen Zeitsprung in die Gegenwart: Gilla Cremer ist Ruth, ein kleines Mädchen, lebenslustig, gerade zur Schule ­gekommen. Vor sich: das ganze Leben.

Endlich eine Freundin haben! Nichts wünscht sich Ruth sehnlicher. Erst einmal muss dafür ihr Fahrrad herhalten, das sie Iltschi nennt nach dem Hengst, den Winnetou reitet – es wird ihr erster bester Freund. Dann kommt die erste wirkliche Freundin, sie wird bleiben, ein Leben lang. Lebensfreunde nennt Gilla Cremer diese Menschen, sie begleiten einen durch die Zeiten.

Von diesen wahren Freunden – sie heißen Britta, Niwea und Knut – erzählt Ruth, von der Jugend bis ins Alter, bis zur Tragik.

In der Regie von Dominik Günther, mit Gerd Bellmann am Klavier (der Knut allein durch sparsam komische Mimik animiert) und im fantasievoll kargen Bühnenbild von Eva Humburg beleuchtet Cremer zweieinhalb Stunden lang die Facetten der Freundschaft. Gerade im ersten Teil des Abends rutscht die Geschichte jedoch allzu sehr ins Episodenhafte, das Band der Freundschaft allein als roter Faden hält nicht so recht. Vielen komischen, teils kabarettistischen Szenen zum Trotz.

Die Intonation ändert sich nach der Pause. Die Freunde sind älter geworden, Ruth trägt nichts Buntes mehr, als sei ihr ein wenig die Freude verloren gegangen, sie trägt Schwarz und Blau. „Nachts auf hoher See“, ein melancholisches ­Gedicht von Hermann Hesse, schlägt den Grundton an: Es ist nicht einfach mit der Freundschaft.

Auch nicht mit dem Stück, leider. Zwar gibt es punktgenaue Alltagsbeobachtungen, auch philosophische Überhöhungen des Themas, und Gilla Cremer lässt die Figur der Ruth kraftvoll lebendig werden, mal anrührend, dann komisch, auch verzweifelt. Die zwingende Stringenz etwa ihres großen Solos „Die Dinge meiner Eltern“ aber erreicht diese auch zu lange Inszenierung nicht. Noch nicht. Das mag kommen mit der Zeit. Dennoch lohnt’s schon jetzt.

Großer Jubel am Ende, Bravorufe, viele, viele Blumen werden auf die Bühne gelegt. Von Freunden?

„# Freundschaft“ Mo 12.9., Mo 10.10., jeweils 20 Uhr, So 11.12., 20.30 Uhr, Hamburger Kammerspiele, Hartungstraße 9-11, Karten von 18 bis 43 Euro unter T. 413 34 40