Bässe massieren Bäuche, Synthis knurren und auf der Bühne herrscht Augsburger Puppenkiste: Deichkind beendet Konzerttour in Hamburg.

„Verkauf das letzte Hemd für die Karten vom Konzert. / Alle wollen den Abriss, gefedert und geteert. / Wir haben euch vermisst, es ist viel zu lange her. / Die Show kann jetzt beginnen und alle nur so: Yeah.“ Deichkind und ihre Fans ziehen durch, eine Spur aus Bierbechern, Müllsäcken und Klebestreifen hinter sich lassend.

So geht es los am 15. Februar in der Barclaycard Arena. So wie schon im vergangenen Mai hörst du „So ‘ne Musik“, „Denken sie groß“, „Naschfuchs“, „Befehl von ganz unten“ und „Bück dich hoch“. Bässe massieren Bäuche, Synthis knurren und bellen, und auf der Bühne herrscht Augsburger Puppenkiste. Man kann kaum noch erkennen, wer da zwischen Lichtblitzen und herumfahrenden Pylonen, zwischen Trampolins und Schlauchbooten wer ist. Ist das Porky? Philipp? Ferris? Wo steckt denn DJ Phono? Und „Wer sind die Görn?“, all die anderen, die da noch zwischen den Kulissen herumtoben? Sind die Abgänger aus frühen Deichkind-Tagen, sind Buddy Buxbaum (veröffentlichte kürzlich sein Solo-Debütalbum „Unkaputtbar“) oder Malte Pittner (Gitarrist bei Texas Lightning) heimlich wieder eingestiegen und feixen sich backstage einen? Wer weiß das schon.

Den gut 10.000 durchdrehenden Anhängern in der Arena ist das eh völlig gleichgültig. Hauptsache Party. „Noch fünf Minuten, Mutti“. Das Geschehen vor der Bühne hat sich längst verselbständigt, ja entkoppelt von der Show. Auf und ab geht das, Händeheben, Klatschen, Hüpfen und Bierduschen. Für Leute mit der Devise „Hauptsache nichts mit Menschen“ („Schiffbruch, Castaway, Lost in diesem Menschenmeer“) ist das eher nichts.

Es wäre schon interessant zu wissen, wer in diesem Menschenmeer Deichkind noch als Oldschool-Hip-Hop-Truppe kennengelernt hat in den frühen 2000ern. Wer noch „Smogcity“, „Imbissmief 040“ oder „Gebor’n für das!“ mitsprechen kann. Aus dieser Zeit landen heute noch „Bon Voyage“ und „Komm schon!“ auf der Setliste, ansonsten bleibt man auf dem mit „Aufstand im Schlaraffenland“ (2006) eingeschlagenen Weg des Electro-Gedengels.

Es ist schon beeindruckend zu sehen, was aus den einst vergleichsweise unspektakulär am Mikro herumschnackenden Jungs in Karohemden – und in kleinen Clubs – geworden ist. Ein Remmidemmi-Bacchanal „Powered By Emotion“. Immer wilder und abgefahrener wurden die Choreografien und Dekorationen, was aber auch bedeutet, dass so ein Abend für die Deichkinder selber kaum noch Platz lässt für Spontanität und Improvisation. Je durchgedrehter Deichkind wirkt, desto ausgefeilter wurde der Exzess vorher geplant. Eigentlich schon ein Widerspruch.

Liest sich das wie Lamento? Wehmut? Nostalgie? Vielleicht. Aber dann hört man plötzlich „So ‘ne Musik“. Und alle nur so: Yeah.

Deichkind Mo 15.2., 20 Uhr, Barclaycard Arena, Sylvesterallee 10, Karten ab 37 Euro im Vorverkauf und an der Abendkasse