„Kein Rotwein auf meinem Boot!“ Das sind Sätze, von denen man weiß, dass sie, einmal ausgesprochen im Film, natürlich gebrochen werden. In diesem Fall ist es ausgerechnet der eigene Ex, der mit seinem Charme die neue Freundin des Vaters bezirzt. Also wird der Rotwein an Bord gebracht. Und natürlich gibt es stürmischen Wellengang. Natürlich gehen Gläser zu Bruch, das dunkle Nass kippt auf das teure Holz. Aufwischen darf das alles die Tochter. Beim Auswringen des Mopps schneidet sie sich auch noch die Hände blutig.

Ein verzweifelter Moment. Und auch der Beginn von etwas Neuem. Denn die junge Frau wird sich an ihre Bastlerleidenschaft aus der Kindheit erinnern. Und einen Wischmopp kreieren, bei dem man sich nicht verletzen kann. Einen, der sich mechanisch auswringen lässt. Eine Idee, aus der sich ein Geschäft machen lässt. Das Ganze ist wirklich passiert. Es ist die Geschichte von Joy Mangano, die in den 90er-Jahren mit ihrem „Miracle Mop“ zur Teleshopping-Queen wurde. Nun gibt es ihre Geschichte auch als Biopic: „Joy – Alles außer gewöhnlich“. Einmal mehr hat Regisseur David O’Russell mit seiner Dauer-Muse Jennifer Lawrence und deren Dauer-Filmpartner Bradley Cooper gearbeitet, wie schon in „Silver Linings“ und „American Hustle“. Lawrence ist hier ein kleines, glückloses Mädchen, das mühsam seine Familie zusammenhalten muss.

Der Vorname klingt wie Hohn: Eine Freude ist Joys Leben nicht. Da ist die depressive Mutter, die nach der Scheidung nur im Bett liegt und Seifenopern glotzt. Die plärrenden Kinder. Der Exmann, der im Keller wohnt. Und schließlich der Vater, den die Halbschwester nicht mehr erträgt. Das sind urtraurige Zustände. Und nur deshalb so komisch, weil eine stattliche Zahl von Stars diese Familie verkörpert. Robert De Niro, der den stets Ärger suchenden Vater spielt, Isabella Rossellini als neue Flamme, und als Großmutter, Off-Erzählerin und Identifikationsfigur Diane Ladd, die zur Verheißung ihrer Enkelin Joy wird.

Es dauert, bis Bradley Cooper auftritt, als berechnender TV-Mogul, der bislang mit Promis im Werbekanal gearbeitet hat und nun in dieser Hausfrau ein Geschäft wittert. Bis es dazu kommt, ist Jennifer Lawrence schon oft verzweifelt. Hat sogar einen Satz gesagt, der den amerikanischen Traum nicht nur widerlegt, sondern geradezu exorziert: „Die Welt gibt dir keine Möglichkeiten, sie nimmt dir deine Möglichkeiten.“ Fast hat sie sich der Weltflucht ihrer Mutter angeschlossen, wenn sie sich mit auf deren Bett legt und auch die TV-Soaps mit den starken Frauen glotzt. Bis sie, so viel Ironie muss schon sein, eben durchs Fernsehen selber zum Star wird. Der amerikanische Traum, reloaded.

Der richtige Film für gute Vorsätze im neuen Jahr

Das ist der Moment, wo gewöhnliche Tellerwäscherkarrieren auserzählt sind. Aber auch das gehört zu O’Russells Stärken, dass sein Film hier ein ganz anderer wird. Denn er zeigt, wie es immer wieder zu Rückschlägen und Beinahe-Konkurs kommt. Wie die junge Frau immer wieder – und natürlich von Männern – ausgebootet wird. Wie diese zierliche Person immer mehr erstarkt. Damit ist „Joy“ der richtige Film zum Jahresausklang, für all die guten Vorsätze: Pack es an. Glaub an dich. Eine Mutmacher-Geschichte, die veranschaulicht, dass es keine Quote braucht, wenn eine Frau sich traut, ihren Weg zu gehen. Man muss sich nur am eigenen Zopf aus dem Sumpf ziehen. Oder, wie der eigene Wischmopp, selber auswringen.

„Joy – Alles außer gewöhnlich“ USA 2015, 124 Minuten, ohne Altersbeschränkung,
Regie: David O. Russell, Darsteller: Jennifer Lawrence, Robert De Niro, Bradley Cooper, Isabella Rossellini,
täglich im Abaton, Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, UCI Mundsburg/Othmarschen-Park/Wandsbek