In den späten 1950er-Jahren, als Jeffrey Tate, heute Chefdirigent der Hamburger Symphoniker, in Salisbury aufwuchs, schaute er im Fernsehprogramm der BBC regelmäßig „The Monitor“, eine Reihe, in der es um immer andere Aspekte von Kunst und Kultur ging. Die Titelmusik zur Serie war das Finale der Serenade op. 11 für Streichorchester des bei uns kaum bekannten schwedischen Komponisten Dag Wirén (1905–1986).

Das ganze Stück dauert etwa 15 Minuten, damals gab es davon nur eine einzige Schallplatteneinspielung. „Mein Lehrer kaufte sie, wir mochten die Musik sehr gern“, erzählt Tate vergnügt in einer Probenpause für das 4. Symphoniekonzert mit seinem Orchester. Gerade hat er die Streicher erstmals durch die schwungvolle Komposition gelotst, die er selbst viele Jahre lang nicht mehr gehört hatte. Für diesen Sonntag hat er sie an den Anfang des vorweihnachtlichen Konzertprogramms mit den Hamburger Symphonikern in der Laeiszhalle gesetzt.

Geigerin Akiko Suwanai ist Solistin beim Nielsen-Konzert

Das aus der Jugenderinnerung geborgene Streicherwerk leitet einen Abend ein, der auch im weiteren Verlauf „Die Weiten des Nordens“ verspricht. Die Symphoniker feiern damit zugleich die runden Jahrestage zweier Großer der nordischen Musik, des Dänen Carl Nielsen und des Finnen Jean Sibelius. Beide wurden 1865 geboren. Das Orchester studiert das Violinkonzert von Carl Nielsen ein, das 1912 entstand und sich bruchlos in die Tradition der Virtuosenkonzerte des 19. Jahrhunderts einfügt. Solistin ist die Japanerin Akiko Suwanai, die in Hamburg zuletzt vor elf Jahren an der Seite von Fazil Say zu hören war, der damals hier sein Debüt gab.

In der Sibelius-Sinfonie klingen auch mediterran anmutende Töne mit

Tate hat mit Suwanai, die früh bedeutende Preise gewann und an der Juilliard School in New York und der Universität der Künste in Berlin studierte, noch nicht selbst gearbeitet. „Sie gehört aber zu den wenigen, die dieses Konzert überhaupt im Repertoire haben“, sagt er. Das Nielsen-Konzert nennt Tate „sehr schön und enorm heikel“. An grandiosen Stellen, ihre „Dolphin“-Stradivari, die einst Jascha Heifetz gehörte, zum Glitzern zu bringen, herrscht jedenfalls kein Mangel.

Im zweiten Teil des Konzerts widmen sich die Symphoniker der Sinfonie Nr. 2 von Sibelius, die zwar heroisch-patriotische Unabhängigkeitstöne gegenüber Russland anschlägt, dies aber mit bisweilen geradezu mediterran anmutendem Stolz. Das wird jene, die klimatischen Verhältnissen überhaupt Einfluss auf Gestalt und Emotionalität eines Werks zubilligen, nicht wundern; Jean Sibelius schrieb große Teile seiner Zweiten in Rapallo, in Italien.

Die Weiten des Nordens Hamburger Symphoniker mit Jeffrey Tate, So 13.12., 19 Uhr, Laeiszhalle, Johannes-Brahms-Platz, Tickets zu 9,90 bis 49,50 Euro unter T. 35 76 66 66