Wie trifft man den Nerv des Publikums? Wie schreibt man einen Hit? Enno Bunger hat auf diese Fragen keine Antwort. „Ich schreibe Songs für mich selbst“, sagt er. Kompromisse oder Anbiederungen an das Format-Radio vermeidet der Pianist und Sänger: „,Super Songs!‘, sagen Radioredakteure oft zu mir. Aber gespielt werde ich dennoch nicht. Die Spannungsbögen meiner Lieder seien zu groß, heißt es.“ Bunger, in Ostfriesland geboren und aufgewachsen und 2011 nach Hamburg gezogen, erreicht auch ohne Radiounterstützung ein immer größer werdendes Publikum, das erkennt, über welche großen Qualitäten der 29-Jährige verfügt. Sein aktuelles Album „Flüssiges Glück“ gehört zu den besten deutschsprachigen Platten des Jahres. Selbst mit der Poesie eines Sven Regener kann Enno Bunger sich auf seiner dritten Platte messen.

Darauf gibt es einen Song wie „Renn!“, den Bunger sich für seine eigenen Jogging-Läufe geschrieben hat und zu dem man sich in Trance laufen kann. Oder sein „Hamburg“-Song, den er frühmorgens am Elbstrand geschrieben hat und in dem so schöne Bilder vorkommen wie „die Kräne spielen Tetris“. Oder den Eröffnungssong „Scheitern“, in dem es darum geht, Niederlagen zuzulassen. „Wichtig ist es, nach jedem Rückschlag wieder aufzustehen und weiterzumachen“, sagt er. Als Scheitern hat er es angesehen, seine erste Band nach zwei Alben auflösen zu müssen und allein weiterzumachen. Trotz positiver Kritiken reichten die Einnahmen nicht aus, um allen drei Musikern das Überleben zu sichern. Jetzt geht es auch mit Band.

Konzerte mit dem von einem Bauernhof stammenden Pianisten sind sehr unterhaltsam, weil Enno Bunger zwischen den Songs pointierte Döntjes aus seinem Leben erzählt. Nicht so ausufernd wie Olli Schulz, aber in eine ähnliche Richtung tendierend. Kuriose Dinge hat Enno Bunger in seinem Leben schon eine Menge erlebt. Mal hat er als Kirchenorganist bei einer Beerdigung den Hochzeitsmarsch angestimmt, bei einem Klavierwettbewerb für Kinder spielte er vor einer irritierten Jury etwas von Scooter statt von Haydn, erste Live-Erfahrungen sammelte er mit 13 Jahren als Pianist in einem Café in Leer, in dem dem Teenager auch schon mal ein Bier hingestellt wurde, wenn er einen Musikwunsch erfüllt hatte.

Der klassisch ausgebildete Bunger wollte eigentlich an der Popakademie in Mannheim studieren, doch sein Antrag wurde abgelehnt. Das brachte ihn überhaupt erst dazu, mit dem Songschreiben anzufangen. „Jetzt erst recht, habe ich mir damals gedacht“, erzählt er. Diese Zurückweisung sitzt tief und ist ein weiteres Beispiel für Bungers Scheitern. Zum Glück hat er weitergemacht. „Flüssiges Glück“ ist ein herausragendes Beispiel dafür, dass die deutsche Popmusik deutlich mehr zu bieten hat als mitgrölbare Refrains fürs Stadion oder Ballermann-Feten.

Enno Bunger Sa 28.11., 20 Uhr, Uebel & Gefährlich (U Feldstraße), Feldstraße 66, Karten zu 20,50 Euro im Vorverkauf und an der Abendkasse