Citys Fanboss Kevin Parker spricht über die Übernahme seines Vereins, über Besitzverhältnisse in Englands Fußball - und seinen Pakt mit dem Teufel.

Abendblatt:

Mister Parker, wie fühlt man sich denn so als Anhänger des reichsten Vereins der Welt?

Kevin Parker:

Fantastisch. Am Anfang konnte ich es noch gar nicht glauben. Es ist ein bisschen so, als ob man im Lotto gewonnen hat, aber erst mal nachgucken muss, ob der Scheck der Lotterie auch wirklich gedeckt ist.



Abendblatt:

Und? War er gedeckt?

Parker:

Und wie. Es war einfach traumhaft, was am 31. August passierte. Der Tag wird sicher in unsere Klubgeschichte eingehen.



Abendblatt:

Wie würden Sie einem Zehnjährigen erklären, was am 31. August in Manchester passierte?

Parker:

Innerhalb weniger Stunden löste City unseren Lokalrivalen United als reichsten Verein der Welt ab. Und plötzlich waren sämtliche Topspieler Europas bei uns im Gespräch. Für einen Fan ist das wie Weihnachten, Geburtstag und Ostern zugleich. Am Ende war die Zeit leider zu knapp, so dass wir "nur" Robinho bekommen haben. Damals fühlte sich das alles wie ein Traum an.



Abendblatt:

Und heute?

Parker:

Mittlerweile ist wieder ein wenig Normalität eingekehrt. Die Abu Dhabi United Group hat City zwar für 258 Millionen Euro gekauft, aber das Geld, was sie investieren wollen, können wir ja frühestens im Januar ausgeben.



Abendblatt:

Auf die zu erwartenden Erfolge können Sie sich aber schon jetzt freuen.

Parker:

Natürlich. Als City-Fan habe ich lange genug gelitten. Ich freue mich wie ein kleines Kind auf die nächste Transferperiode, wenn der Klub mit Sicherheit erst richtig loslegen wird.



Abendblatt:

In Deutschland wird Ihr Enthusiasmus nicht ganz geteilt. Warum gibt es unter den City-Fans gar keine kritischen Stimmen?

Parker:

Da gibt es eine ganz einfache Erklärung: Wir sind dem Streben nach Erfolg hilflos ausgeliefert. Wenn uns jemand den Titel garantieren könnte, würden wir alles dafür in Kauf nehmen.



Abendblatt:

Ihre Erklärung ist zumindest ehrlich.

Parker:

Genau das ist sie: ehrlich. Außerdem muss man bedenken, dass wir bereits vor den reichen Scheichs aus Abu Dhabi mit Thailands früherem Premierminister Thaksin Shinawatra einen Besitzer hatten. Und wenn man die Wahl zwischen einem reichen und einem unglaublich reichen Klubbesitzer hat, dann nimmt man doch lieber den unglaublich reichen.



Abendblatt:

Es gibt in Ihren Augen also keinerlei Haken an der Geschichte?

Parker:

Nicht wirklich. Alles, was nach Thaksin kommt, kann nur besser werden. Er hat versprochen, dass er einen erfolgreichen Verein aus City macht und dass wir viele gute Spieler bekommen werden. Doch leider hatte er nicht genügend Geld, um seine Versprechen wahr zu machen. Und die Abu Dhabi United Group hat das Geld.



Abendblatt:

Kann es nicht gefährlich sein, wenn ein Fußballverein in der Hand einer Investorengruppe ist?

Parker:

Ehrlich gesagt sehe ich keine Gefahr. Als zunächst Thaksin den Klub kaufte, waren alle glücklich, da es dem Verein zuvor finanziell sehr schlecht ging. Damals hätten wir wohl jeden Investor mit offenen Armen empfangen, solange er uns den Glauben schenken konnte, dass er den Verein sanieren würde.



Abendblatt:

Aber Sie stimmen zu, wenn ich sage: Kein Investor würde einen Verein mit dem Ziel kaufen, um die Fans glücklich zu machen.

Parker:

Aber niemand ist so dumm, einen Verein zu kaufen, um damit finanziellen Gewinn zu machen. Die Abu Dhabi United Group will aus City eine weltweite Marke machen. Und diese Marke kann dann für die Investoren gewinnbringend werden - nicht der Fußballklub. Wenn man irgendwo auf der Welt den Namen Manchester erwähnt, wird sofort nach United gefragt. Das soll und wird sich nun ändern. Irgendwann sollen die Leute City mit Manchester assoziieren.



Abendblatt:

Haben Sie keine Sorge, dass die "Marke City" in naher Zukunft ihre Geschichte, ihre Tradition und ihre Identität verlieren könnte?

Parker:

Ein paar Fans haben leichte Zweifel. Aber die Scheichs haben bereits angekündigt, die Tradition des Klubs zu bewahren.



Abendblatt:

Ist die Angst einiger Fans, dass englische Fußballvereine zu Spielzeugen von ein paar durchgeknallten Milliardären werden, unbegründet?

Parker:

Ich habe davor jedenfalls keine Angst. Obwohl ich natürlich nicht ausschließen kann, dass genau das passiert.



Abendblatt:

So lange der Preis also stimmt, ist egal, wer der Besitzer von City ist?

Parker:

Ich verstehe nicht ganz, warum gerade der City-Deal so sehr kritisiert wird. Schauen Sie sich doch mal Manchester United an. Der Verein, der zuvor als reichster Klub der Welt gefeiert wurde, hat in Wahrheit 800 Millionen Pfund Schulden. Und trotzdem zeigen die englischen Top-Four-Klubs mit dem erhobenen Finger auf City. Aber ich frage Sie: Was ist schlimmer für den Fußball - ein Verein, der 800 Millionen Pfund Schulden hat? Oder ein Verein, der finanziell keine Probleme mehr hat?



Abendblatt:

Ein deutscher Fußballfan würde sicherlich antworten, dass ein Verein ohne Schulden und ohne fremden Besitzer die beste Variante wäre.

Parker:

Ich verstehe die deutschen Fans nicht. Vor zehn oder 20 Jahren gehörten die deutschen Klubs zu den besten in Europa. Und der Grund, warum sich das geändert hat, ist, dass Vereine aus den anderen Ländern bessere finanzielle Möglichkeiten haben. Wenn ich also HSV-Fan wäre, dann würde ich gerne die besten Spieler der Welt in Hamburg spielen sehen. Das geht aber nur, wenn es einen reichen Investor gibt.



Abendblatt:

Allerdings müssen englische Fans für die glitzernde Welt der sportlich attraktiven Premier League steigende Preise bei den Eintrittskarten, teures Pay-TV und zerstückelte Spieltage in Kauf nehmen.

Parker:

Das stimmt leider. Und das Paradoxe ist, dass wir durch die Investoren auf die Pay-TV-Gelder gar nicht mehr angewiesen wären. Aber leider können wir die Uhr nicht mehr zurückdrehen.



Abendblatt:

Und was passiert, wenn beispielsweise Roman Abramowitsch keine Lust mehr hat, seine vielen Millionen mit seinem Spielzeug Chelsea zu verpulvern?

Parker:

Natürlich gibt es die Angst, dass danach alles zusammenbrechen könnte. Aber es ist doch so: Wenn man seit 1976 keinen Titel mehr gewonnen hat, würde man einen Pakt mit dem Teufel eingehen, um endlich wieder erfolgreich zu sein. Ich habe seit 33 Jahren eine Dauerkarte. Und wenn mir jemand anbieten würde, meine Seele für den Titel zu verkaufen, dann würde ich einschlagen.



Abendblatt:

Es wird behauptet, dass auch Citys neuer Star Robinho seine Seele für einen guten Vertrag verkaufen würde.

Parker:

Ich weiß, worauf Sie anspielen. Es stimmt wohl, dass er eigentlich zu Chelsea wollte. Aber er ist nun mal nicht zu Chelsea, sondern zu uns gegangen. Und dafür sind wir sehr dankbar.



Abendblatt:

Und wie würden Sie es finden, wenn nächste Woche ein reicher Scheich Stoke City übernehmen und Robinho das doppelte Gehalt bieten würde?

Parker:

Genau das ist Fußball. So war es bereits vor dem Einstieg der Abu Dhabi United Group bei City, und so wird es auch in Zukunft sein.



Abendblatt:

Sind Fans, die einen Spieler mögen, weil er aus sportlichen oder lokalen Gründen für Ihr Team spielt, altmodisch?

Parker:

Kein Profi spielt in Sunderland oder Aston Villa, weil die Stadt so schön ist oder die sportlichen Möglichkeiten so reizvoll sind. Also musste auch City Robinho mehr Geld als Chelsea bieten. Die Realität ist nun mal so.



Abendblatt:

Viele scheinen diese Realität aber nicht mehr kritiklos hinzunehmen. Was halten Sie von den Fans des FC United of Manchester, die sich vom Heimatverein ManU abgespalten haben, um dem zunehmenden Kommerz entgegenzutreten?

Parker:

Für mich sind diese "Fans" keine Fans. Es kann viel passieren, vielleicht kann man sich sogar von seinem eigenem Klub abwenden. Aber ein echter Fan kann niemals einfach so einen neuen Verein in sein Herz schließen. Das ist unmöglich.



Abendblatt:

Kann sportlicher Erfolg gekauft werden?

Parker:

Sportlicher Erfolg ja. Titel nein.



Abendblatt:

Chelseas Mannschaft wurde von den jeweiligen Gegnerfans immer als "die Neureichen" beschimpft. Droht City jetzt nicht das gleiche Schicksal?

Parker:

Wir haben das große Glück, dass wir uns eine Stadt mit United teilen. Und in England sind die United-Fans ziemlich unbeliebt. Es bedarf großer Anstrengungen von City, damit unser Klub noch unbeliebter wird als Manchester United oder Chelsea.



Abendblatt:

Gibt es irgendetwas, was Sie veranlassen könnte, nicht mehr City-Fan zu sein?

Parker:

Nur der Tod. Und bevor der eintritt, will ich mindestens noch einmal den Titel gewinnen.