Norderstedt. Bei den Norderstedter Stadtmeisterschaften erreicht Uwe Seeler das Endspiel. Mit dabei: der elf Jahre alte Frank Best.

Mister Spock, der wissenschaftliche Offizier in der amerikanischen Science-Fiction-Serie Raumschiff Enterprise hätte das, was sich vor knapp drei Wochen in meinem Kopf abspielte, vermutlich mit seinem Lieblingswort kommentiert: Faszinierend!

Wenige Augenblicke, nachdem ich auf NDR Info in den Nachrichten davon erfahren habe, dass Uwe Seeler gestorben ist, bin zunächst schockiert, anschließend gehen meine Gedanken auf Zeitreise, schicken mich zurück ins Jahr 1976. Mit Erinnerungen und schönen Bildern, die wie auf Knopfdruck aufpoppen...

Uwe Seeler: Auch auf dem Tennisplatz ein Kämpfer

Es ist Pfingstsonntag, am Abschlusstag der Norderstedter Tennis-Stadtmeisterschaften herrscht Bilderbuchwetter, die Sonne brennt vom strahlend blauen Himmel. Rund um Platz Nummer eins der Anlage des TC Garstedt drängen sich trotz der mittäglichen Hitze die Zuschauer.

Der Grund für das ungewöhnliche große Interesse: Norderstedts berühmtester Bürger hat sich für das Finale im Herren-Einzel qualifiziert. Vier Jahre nach Beendigung seiner erfolgreichen Profi-Karriere zeigt Fußball-Idol Uwe Seeler (39), in seiner aktiven Zeit einer der besten Mittelstürmer der Welt, jetzt auch auf dem Tenniscourt sein Können; auf dem Weg ins Endspiel hat er unter anderem den Mitfavoriten und Titelverteidiger Georg Wachsmann vom 1. SC Norderstedt ausgeschaltet.

Dieter Schütz (72) ist heute wie damals Tennistrainer beim TC Garstedt..
Dieter Schütz (72) ist heute wie damals Tennistrainer beim TC Garstedt.. © Frank Best

Im Finale trifft Uwe Seeler auf den Garstedter Dieter Schütz

Ich, ein Knirps im Alter von elf Jahren und auf dem Sprung in die Knabenmannschaft des TCG, habe mir einen Sitzplatz auf den Pflastersteinen ergattert, freue mich auf das Match. Meine Sympathien gelten allerdings nicht „Uns Uwe“, wie Seeler von vielen Erwachsenen um mich herum genannt wird, sondern seinem Gegner.

Ich drücke Dieter Schütz (25) die Daumen; er ist schließlich mein Trainer, kümmert sich intensiv um die Nachwuchstalente des Vereins, formt und fördert dabei unter anderem den späteren Daviscup-Spieler Ricky Osterthun.

Die jüngere Generation schwärmt 1976 für andere Fußball-Stars

Was mich ein wenig wundert ist der Hype, den das HSV-Idol auslöst. Ich interessiere mich zwar sehr für Fußball, aber über Uwe Seeler weiß ich praktisch nichts. Ich schwärme wie meine Kumpels für andere, aktuelle Stars: Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Günter Netzer, aber auch Rainer Bonhof.

Als Deutschland 1974 in München mit einem 2:1-Sieg gegen die Niederlande Weltmeister wurde, habe ich wochenlang ein olivgrünes T-Shirt mit dessen Konterfei getragen...

Nach hartnäckigem Widerstand verliert Uwe Seeler in drei Sätzen

Aber zurück auf den Tennisplatz in Garstedt, auf dem sich ein packendes Duell entwickelt: Schütz ist technisch versierter, Seeler zeigt genau die Qualitäten, die ihn als Fußballer zur Legende gemacht haben. Er kämpft verbissen, gibt keinen Ball verloren, begeistert das Publikum. Zwei Sätze lang agiert er auf Augenhöhe mit seinem favorisierten Kontrahenten, im dritten Durchgang muss er sich zu meiner Freude dann allerdings relativ deutlich geschlagen geben.

Dieter Schütz, mittlerweile 72 Jahre alt, erinnert sich wie ich noch gut an das ungewöhnliche Endspiel. „Es hat großen Spaß gemacht, Uwe war extrem fit und laufstark, hatte ein gutes Antizipationsvermögen. Hinterher haben wir noch schön zusammen gefeiert.“

Uwe Seelers Autogrammkarte mit Widmung für Abendblatt-Redakteur Frank Best.
Uwe Seelers Autogrammkarte mit Widmung für Abendblatt-Redakteur Frank Best. © Privat

Noch ein weiteres Mal Aufregung um das HSV-Idol

Einige Wochen später herrschte wieder Aufregung im Club: Die Damen des TC Garstedt und des Hamburger SV, die untereinander einen freundschaftlichen Kontakt pflegten, baten Uwe Seeler, doch mal der Ochsenzoller Straße vorbeizuschauen, um uns Jugendlichen Autogramme zu geben. Für ihn eine Selbstverständlichkeit, dass er diesen Wunsch erfüllte.

Zu diesem Zeitpunkt sah ich ihn bereits mit ganz anderen Augen als noch bei den Stadtmeisterschaften. Denn mein Vater hatte mir mittlerweile von den fußballerischen Heldentaten des „Dicken“ berichtet, beispielsweise von den legendären Fußballschlachten gegen England bei den Weltmeisterschaften 1966 und 1970 – und dabei nicht unerwähnt gelassen, dass Seeler seinem Verein, dem HSV, trotz sensationeller Angebote aus dem Ausland stets die Treue hielt. Eine solche Berühmtheit zu treffen, das war für mich ein unvergessliches Erlebnis.

Ein persönlicher Schatz: Uwe Seelers Autogrammkarte

Die Autogrammkarte mit persönlicher Widmung („Für Frank, freundlichst Uwe Seeler“) habe ich bis heute in Ehren gehalten und sorgfältig aufbewahrt. Freundlich – das war er auch später, als ich längst Sportredakteur war und sich unsere Wege einige weitere Male kreuzten. Bei Junioren-Länderspielen im Edmund-Plambeck-Stadion und immer dann, wenn die Fußballer von Eintracht Norderstedt im Finale um den Hamburger Pokal standen. Und sollte ich Uwe Seeler mit meinen Fragen doch einmal genervt haben, hat er es mich nicht spüren lassen.

„Uns Uwe“ war eben ein toller Typ; kein Wunder, dass er so beliebt war und auch bleiben wird. Einer meiner Freunde sagte neulich zu mir mit einem Schmunzeln: „Er steht im Prinzip für alles, was in unserer heutigen Gesellschaft immer mehr vernachlässigt wird.“ Ich finde, er hat damit recht – es ist traurig und schade, dass Uwe Seeler nicht mehr da ist...

Frank Best leitet seit 1993 die Sportredaktion der Regionalausgabe Norderstedt des Hamburger Abendblatts.