Eppendorf. Craft Beer und Selbstgebrautes liegt im Trend: Wie sich junge Leute für das Getränk begeistern und ihr Wissen in Kursen weitergeben.

Sie hätten draußen die Sonne und den warmen Maitag genießen können. Stattdessen stehen die 15 Teilnehmer eines Braukurses ganz freiwillig in einem Eppendorfer Laden und lauschen dem Vortrag von Carsten Jepsen, 26. Der Kulturwissenschaftler und Bierhistoriker leitet einen sechsstündigen Crash-Kursus. „Bier zu brauen ist kein Hexenwerk“, ermutigt er die Zuhörer – die meisten von ihnen junge Leute.

Zum Warmwerden rühren die Frauen und Männer mit einem Holzstab in einem stählernen Wassertopf und messen die Temperatur: 72 Grad Celsius. So einfach beginnt der Weg zum selbst gemachten Bier, das die wahren Kenner und Könner Craft Beer nennen.

Hobbybrauer entdecken die Vielfalt der Biere neu

Längst hat sich in der Hansestadt eine ambitionierte Kultur für handwerklich gemachtes Bier eta­bliert. Hinter dem Brau­sturm Verlag stehen junge Brauer mit Geschäftsführer Maximilian Marner an der Spitze, die mit Bier handeln, auf St. Pauli die Schankwirtschaft betreiben und außerdem Braukurse für interessierte Laien anbieten. Während Deutschland in diesem Jahr das 500. Bestehen des Reinheitsgebots feiert, entdecken Hamburgs Hobbybrauer die Vielfalt der Biere neu: „Es gibt rund 140 Bierstile“, sagt Carsten Jepsen. In Deutschland würden von den großen Firmen allerdings nur zehn angewandt. „Wer in Deutschland vor einem Bierregal steht, der weiß doch: das ist eine Wüste – fast nur Pils.“ Der Kursleiter unterbricht seinen Vortrag und sagt: „Jetzt haben wir aber viel geredet. Nun trinken wir erst mal einen.“

Die tiefgekühlten Hopfenpellets werden in den USA hergestellt
Die tiefgekühlten Hopfenpellets werden in den USA hergestellt © Andreas Laible | Andreas Laible

Ein langer Tisch lädt zum Frühstück ein. Als Kaltgetränk wird ein Weizenbier gereicht, direkt aus der Flaschengärung. Christian Stadler, 23, lässt sich einen Schluck schmecken. Seine Freundin hat ihm den Gutschein für den 129 Euro teuren Braukurs geschenkt. Mit dabei sind auch die beiden Hamburgerinnen Annika Naujock, 27, und Olga Rau, 28. Sie haben den Kurs beim Googeln im Internet gefunden – und ihn schon vor Monaten gebucht. Da war das Wetter wesentlich schlechter. „Wir mögen Bier“, sagen die beiden Frauen, „und wollen das Brauen gern mal zu Hause ausprobieren“.

Die Menge des Malzes bestimmt die Menge des Alkohols im Bier
Die Menge des Malzes bestimmt die Menge des Alkohols im Bier © Andreas Laible | Andreas Laible

Nun wird es ernst. Jeder Schüler steht vor seinem Arbeitsplatz mit Topf (20 Liter Wasser), Herd, Messbecher, Thermometer, Schöpfkelle, Maischepaddel, Eimer und einer Läuterhexe. Dabei handelt es sich um eine Drahtspirale, die wie ein Schlauch aussieht. Sie filtert die Flüssigkeit aus der Maische heraus. An der Wand stehen pralle Säcke mit Malz, im Kühlschrank liegen handliche Packungen mit grünen Hopfen-Pellets. Was ein bisschen wie Hundefutter aussieht, wird industriell in den USA hergestellt. Die Vereinigten Staaten und Deutschland sind Weltmarktführer beim Hopfenanbau.

Gebraut wird an diesem sonnigen Maitag aus hellem Malz Pale Ale. Mit 5,2 Prozent Alkoholgehalt. Dieser Bierstil hat seine Wurzeln in England und ist eine elegantere Version des typisch britisch obergärig gebrauten Bitters.

Durchschnittlich 107 Liter Bier trinkt jeder Deutsche pro Jahr

Nach dem Schroten füllen die Hobbybrauer das Malz in 72 Grad heißes Wasser. „Einer schüttet, einer rührt. Es ist wie zu Hause“, ruft Braulehrer Jepsen seinen Schülern zu. Danach wird der Kocher erst mal ausgeschaltet. Später folgt mit dem Läutern das Auswaschen des gewonnen Zuckers aus der Maische, bis eine klare Flüssigkeit herausläuft. „Das ist ja eine richtige Wissenschaft“, sagt Christian Stadler und gibt die ersten Hopfenpellets in die Pfanne. Gefolgt von der Hefe.

Kursteilnehmer beim Läutern: Dabei werden Flüssigkeit und Malz getrennt
Kursteilnehmer beim Läutern: Dabei werden Flüssigkeit und Malz getrennt © Andreas Laible | Andreas Laible

Die Teilnehmer lernen nicht nur die einzelnen Schritte, sie erfahren auch viel über den Bierkonsum in Deutschland. Durchschnittlich 107 Liter Bier trinkt jeder Deutsche pro Jahr – Tendenz fallend. Vor zehn Jahren waren es noch mehr als 115 Liter pro Kopf, vor zwanzig Jahren über 135 Liter. Bier ist allerdings noch immer das beliebteste alkoholische Getränk, gefolgt vom Wein. Rund 1400 Brauereien versorgen die Konsumenten mit 5500 Biermarken. Dazu kommen immer mehr Hobby-Brauer. Für den Hausgebrauch betragen die Anschaffungskosten rund 400 Euro. Nicht zu vergessen die Zutaten Malz, Hopfen, Hefe und Wasser. Umgerechnet kostet ein Liter selbst gebrautes Bier 50 Cent.

Am Ende des Braukurses tragen die Teilnehmer stolz einen Eimer nach Hause. Nun muss das Gebräu gären und gelagert werden. Erst vier Wochen später heißt es: Prost!

Weitere Informationen: www.beyondbeer.de. Die Kurse finden monatlich statt und kosten im Grundpreis 129 Euro, bei Mitnahme des Gäreimers 159 Euro.