VIERSPURIG rollt der Verkehr wieder auf der Stresemannstraße, Lkw nur auf den Mittelspuren.

Holmer Stahncke

Anwohner sind empört, viele Autofahrer erfreut, die Vertreter des Transportgewerbes sogar erleichtert. Die Entscheidung von Verkehrssenator Mario Mettbach, die Stresemannstraße für den gesamten Verkehr wieder zweispurig je Richtung freizugeben, hat ein unterschiedliches Echo ausgelöst. Mettbach erfüllt damit ein Wahlversprechen. Denn die Beruhigung der Straße durch die Einengung auf eine Spur je Richtung und die Begrenzung auf Tempo 30 km/h nach dem Unfalltod eines Kindes im Jahre 1991 war seiner Meinung nach ein verkehrspolitischer Fehler. In der Folge habe sich nicht nur der Verkehr im Nadelöhr Stresemannstraße ständig gestaut, er sei auch auf andere Straßenzüge ausgewichen. Eine andere Route suchen sich Tag für Tag 15 000 Autofahrer - vornehmlich über den Holstenkamp, die Fruchtallee, die Holsten- und die Simon-von-Utrecht-Straße. Allein in der Fruchtallee werden derzeit 64 000 Fahrzeuge täglich gezählt, in der Holstenstraße immerhin 32 000. Diese Umlenkung ist der Stresemannstraße zugute gekommen. "Vor 1991 wurde sie werktags von 42 000 Kraftfahrzeugen benutzt", sagt Claudia Eggert, Sprecherin der Verkehrsbehörde. 2001 seien nur noch 27 000 Kraftfahrzeuge pro Tag gezählt worden. "Wir erwarten, dass hier künftig wieder mehr als 40 000 Kraftfahrzeuge fahren werden", so Senator Mettbach. Davon - wie auch vor 1991 - rund 4000 Lkw. Derzeit liege ihr Anteil bei etwa neun Prozent. Die anderen Straßen würden entsprechend entlastet werden.

Lange Zeit haben sich die Trucker schwer getan mit Ausweichrouten auf dem Weg zur A 7. Von 1992 bis 1994 betrug ihr Anteil 13 beziehungsweise zwölf Prozent - allerdings bei einem Verkehrsaufkommen von nur 28 000 beziehungsweise 24 000 Fahrzeugen täglich. Dirk Naujokat, Geschäftsführer des Verbands Straßengüterverkehr Hamburg, weist darauf hin, dass viele Lkw nicht ausweichen dürften: "Für Gefahrguttransporte ist die Stresemannstraße vorgeschrieben." Sie dürften den Elbtunnel nur zwischen 23 und 5 Uhr befahren und müssten tagsüber die Elbbrücken und die Stresemannstraße passieren.

Aber auch für den übrigen Güterverkehr sei die Stresemannstraße eine unverzichtbare Strecke, sagen Verkehrsexperten wie Christine Beine von der Handelskammer Hamburg: "Hauptverkehrsstraßen müssen bleiben, wofür sie gebaut wurden - und das war allen Anliegern bereits zum Zeitpunkt ihres Einzugs bekannt." Deren Proteste seien emotional verständlich, sachlich und verkehrstechnisch aber nicht zu vertreten, sagt Arno Reglitzky, im ADAC-Vorstand verantwortlich für Verkehrstechnik. "Die Stresemannstraße ist keine Anlieger-, sondern eine Bundesstraße. Hamburg braucht Wirtschaftswege und kann sie nicht verengen. Dadurch entstehen Staus, die zu wirtschaftlichen Belastungen führen, die größer sind, als die protestierenden Anwohner glauben." Mit der Beibehaltung des Tempo-30-Limits und der Bündelung des Güterverkehrs auf die beiden Mittelspuren glaubt Bausenator Mettbach einen Kompromiss gefunden zu haben. "Ich habe die Argumente der Anwohner zur Kenntnis genommen und sie in das neue Verkehrskonzept Stresemannstraße aufgenommen. Die Sicherheit soll auch künftig an erster Stelle stehen."

Mit der Mittelspurlösung für Lkw können die Trucker leben. "Damit haben wir kein Problem", so Dirk Naujokat. Auch Arno Reglitzky vom ADAC hält das für eine unkonventionelle, pfiffige Lösung. Ob aber die Geschwindigkeitsbeschränkung sinnvoll sei, müsse sich erst erweisen. Politisch derzeit sicherlich sinnvoll, für eine Bundesstraße aber im Grunde kein Zustand, befindet Reglitzky. Naujokat verweist auf die Koalitionsvereinbarung: "Hier ist von Tempo 50 die Rede." Man werde die Entwicklung beobachten, das letzte Wort sei noch nicht gesprochen. "Eine Hauptverkehrsstraße und 30 km/h - das passt einfach nicht zusammen." Anders die Behörde für Bau und Verkehr. "Unsere Experten erwarten, dass der Verkehrsfluss bei zwei Spuren auch bei Tempo 30 nicht stocken wird", so Claudia Eggert.