ANALYSE Hamburgs ADAC-Chef über die Verkehrspolitik des künftigen Senats. Er plädiert für Augenmaß und warnt vor Populismus.

Jan-Eric Lindner

Hamburg auf dem Weg zurück zu einer Autostadt? Der neue Senat aus CDU, Schill-Partei und FDP präsentierte einen ganzen Katalog von Maßnahmen, die natürlich "alle möglichst zügig umgesetzt werden sollen". Noch-Bausenator Eugen Wagner bezeichnete die Pläne des Mitte-Rechts-Blockes als Fantasterei. Das Abendblatt sprach mit Rolf-Peter Rocke, Vorstand des Hamburger ADAC, über die Maßnahmen, die Ole von Beust und seine Mitstreiter umsetzen wollen.

"Ein Großteil der Pläne ist wirklich nicht neu und teilweise anscheinend aus den Programmen des ADAC abgeschrieben", sagt Rocke und signalisiert damit bereits, dass er als Hamburg-Chef der Autofahrer-Vereinigung Gefallen an den Vorstellungen des neuen Senates findet. Allerdings plädiert der Jurist und Verkehrsexperte für Augenmaß. Grundforderung: "Wir sollten wieder Verkehrsschauen machen, bei denen Polizei, Handelskammer, ADAC und Bezirke Situationen im Einzelfall beurteilen. Nur so gelingt es auch, maßgeschneiderte Lösungen für den Stadtverkehr zu finden. Rockes Analyse im Einzelnen:

Der Grüne Pfeil für Rechtsabbieger: "Eine alte ADAC-Forderung, zumindest für kleinere Straßen, an denen keine Abbiegerspur vorhanden ist. Im südlichen Umland bewährt sich das Rechtsabbiegen trotz roter Ampel (nach Vorbild der ehemaligen DDR), obwohl zunächst geunkt wurde, dass Wessis das System nicht begreifen. Die Verkehrsteilnehmer haben den Abbiegerpfeil gut angenommen."

Die "grüne Welle": "Da sind wir in Hamburg noch nicht weit genug. Sinnvoll wäre, Kreuzungen mit Rechnern auszurüsten, die zunächst die Ampeln separat, später im Verbund koordinieren. Das würde rund 17 000 Mark pro Kreuzung kosten und den Verkehr massiv entlasten."

Abschalten nicht erforderlicher Ampeln in der Nacht: ""Ich rate zur Vorsicht. Hamburg hat mit 630 seiner etwa 1700 Ampelanlagen schon recht viele Anlagen nachts abgeschaltet. Würde man zum Beispiel die Ost-West-Straße auch noch ampelfrei schalten, verleitet das Raser zu Rennen in der City."

Wiederöffnung des Grindelhofes: "1998 haben wir vom ADAC im Chor mit dagegen gewettert, als die Maßnahme beschlossen wurde. Inzwischen muss ich sagen, dass die Kritik nicht ganz begründet war. Das System ist nicht optimal, aber besser als vorher. Ein einfacher Rückbau des Rückbaus wäre zu fantasielos."

Wieder vierspurige Befahrbarkeit der Hochallee: "Das ist mir zu einfach. Da verlagert man das Stauproblem nur auf die umliegenden Straßen. Hochallee und Grindelhof sollten als Einheit betrachtet werden."

Beseitigung von Hindernissen wie Pollern: "Achtung, Populismus, aber im Prinzip richtig! Teilweise sind Poller sinnlos zur Parkplatzvernichtung aufgestellt worden. Kleine Parkbuchten könnten dort entstehen, die das Wildparken auch verhindern."

Tempokontrollen nur dort, wo es die Sicherheit erfordert: "Das ist sogar gesetzlich so gefordert. Kontrollen sollten vor Seniorenheimen, Schulen und ähnlichen Einrichtungen verstärkt, nicht aber massiv auf freier Strecke eingesetzt werden."

Verzicht auf Rückbau der Alsterkrugchaussee, Verlängerung der Ortsumgehung Fuhlsbüttel, Ausbau von Ring 2: "Wir sind dafür. Die Alsterkrugchaussee ist eine leistungsstarke Straße. Es wäre blödsinnig, sie zurückzubauen und künstliche Engpässe einzurichten. Die Fuhlsbüttler Umgehung ist wichtig, auch zum Ausbau von Ring 2 sagen wir klar Ja."

Wieder vier Spuren für die Stresemannstraße und Tempo 50, wo es geht, auch Tempo 60: "Das ist zu einfach gedacht. Man sollte vielleicht zunächst mal die Busspuren außerhalb der Rushhour für Autos öffnen und eine gewisse Testphase abwarten. In der Max-Brauer-Allee bewährt sich das System."

Kreuzungsfreier Ausbau hoch frequentierter Kreuzungen: "Eine alte ADAC-Forderung. Bei kleineren und mittleren Kreuzungen sollten vermehrt Kreisel ins Spiel gebracht werden. Bei wirklich großen Kreuzungen sollte im Einzelfall geprüft und an den Bau von Unter- oder Überführungen gedacht werden.

Rocke ermahnt bereits jetzt den neuen Senat, nicht nur allzu populäre Entscheidungen zu treffen: "Von elementarer Bedeutung ist die Komplettierung des Ringes 3 im Hamburger Osten. Dort wird es allerdings Proteste geben. Doch für den Wirtschaftsstandort Hamburg brächte die Maßnahme große Vorteile." Sein bisheriges Fazit: Schöne Pläne, warten wir ab, was davon in einigen Monaten noch Bestand hat."