Von CHRISTIAN DENSO

Ist sie tot? Oder lebt sie unter falschem Namen in Hamburg, um sich an ihrem Ehemann zu rächen? Die Polizei fahndet jetzt öffentlich nach Sonnhild Israel aus dem sächsischen Kurort Jonsdorf. Seit mittlerweile neun Jahren ist die kleine schlanke Frau, die heute 42 Jahre alt wäre, spurlos verschwunden. Im Februar dieses Jahres wurde ihrem Ehemann der Prozess gemacht. "Auf nicht bekannte Art und Weise", so der Staatsanwalt, habe Peter Israel, der heute 43 ist, seine Frau umgebracht. Doch jetzt gibt es eine Spur in die Hansestadt: Zeugen wollen sich hier mit ihr mehrfach getroffen haben.

Der Fall Sonnhild Israel. Einer der spektakulärsten Kriminalfälle Sachsens seit der Wende. Kurz nachdem die Vermisstenanzeige aufgegeben worden war, meldete sich ein Nachbar. Er habe beobachtet, dass ihr Mann zeitgleich mit dem Verschwinden neue Fundamente an seinem Haus gegossen habe. Der furchtbare Verdacht: Hatte er seine Frau ermordet und in den Beton eingegossen - aus Angst um das denkmalgeschützte Haus und das Sorgerecht für die Söhne Andreas und Frank? Oder war alles ganz anders, hatte die Hausfrau ihren Mann und die beiden vier und zehn Jahre alten Jungs über Nacht für einen Liebhaber verlassen?

Sonnhild Israel wollte sich zu der Zeit, als sie verschwand, von ihrem Mann trennen. Sie hatte Peter 1980 kennen gelernt, ein Jahr später geheiratet. Der gelernte Schlosser, der eifersüchtig über sie zu wachen versuchte, war oft auf Montage, zum Teil Wochen nicht zu Hause in dem 1500-Seelen-Ort im waldreichen Zittauer Gebirge. Sie soll ein Verhältnis mit Untermieter Rudolf J. (damals 50) gehabt haben, einem Hamburger, der als eine Art "reicher Onkel aus dem Westen" in der Nachwendezeit als Unternehmensberater unterwegs war.

Nach dem Tipp wurde wochenlang das Fundament des schmucken Hauses mit Presslufthämmern aufgemeißelt - ohne Ergebnis. Bei einer Hausdurchsuchung entdeckten die Beamten in einem geheimen Hohlraum unter der Treppe immerhin Sonnhilds alten DDR-Reisepass und den Führerschein. Ihren bundesdeutschen Personalausweis fand später die neue Lebensgefährtin von Peter Israel - in Kleidern ihrer Vorgängerin, die sie auftrug.

Erst Jahre darauf, im Juli 2000, erging Haftbefehl: Der 43-Jährige wurde unter Mordverdacht verhaftet. Wieder rückte die Kripo mit schwerem Gerät auf das 1000 Quadratmeter große Grundstück. Die Hälfte gruben die Fahnder auf der Suche nach einer Leiche mit Baggern um. Selbst ein Wünschelrutengänger war vor Ort. Doch auch er schritt vergeblich über die Rosenbeete. Im Prozess vor dem Landgericht Görlitz präsentierte Staatsanwalt Sebastian Matthieu mehr als 70 Zeugen, aber keine Beweise. Der Ehemann wurde Ende Februar freigesprochen. Dennoch will der Staatsanwalt in Revision gehen.

Zehn Wochen nach dem Urteil erhielt Peter Israel, der wieder in das Haus in Jonsdorf zurückkehrte, jetzt die anonyme Post aus Norddeutschland - das erste Lebenszeichen seit dem Verschwinden. Auf der Doppelkarte steht unter anderem: "Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Freispruch. Meine Frau und ich haben während des Prozesses mehrfach mit Sonnhild gesprochen und sie gebeten, sich zu melden." Das habe die Ehefrau abgelehnt. Weil sie sich rächen wolle für Misshandlungen während der Ehe. Peter Israels Anwalt Jürgen Neumann hält den Brief für echt: "Er enthält Details, die nur ein Insider wissen konnte."

Doch weder er noch die Ermittler, nur Peter Israel, seine neue Lebensgefährtin und ein paar Freunde haben den Brief bisher gesehen. Nach dem Schriftstück sucht derzeit die Deutsche Post. Die Lebensgefährtin will es unzureichend frankiert an die alte Kanzleiadresse des Anwaltes geschickt haben - ohne Absender.

Die Kripo fahndet jetzt öffentlich nach Zeugen im Fall Israel: "Wir müssen sowohl be- als auch entlastendes Material suchen", sagt der Görlitzer Hauptkommissar Dietmar Elias: "Es wäre ein Riesenerfolg, wenn wir die Sache noch aufklären würden."